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»Piano-Mann« ein Landwirts-Sohn aus Bayern

20-Jähriger hatte Ärzte monatelang mit einem angeblichen Gedächtnisverlust getäuscht


London (dpa). Das Rätsel um den mysteriösen Piano-Mann ist gelöst: Der vermeintliche Musiker, der Anfang April an der britischen Kanalküste aufgegriffen worden war, kommt aus Deutschland. Es handele sich um einen 20-jährigen Mann aus Bayern. Der Bayerische Rundfunk meldete, der Mann stamme aus Waldmünchen im Landkreis Cham. Der Mann ist bereits am Wochenende wieder nach Süddeutschland geflogen worden. Dort soll sein Vater angeblich einen Bauernhof haben.
Der blonde Piano-Mann habe die Ärzte der Klinik, in der er seit Monaten behandelt worden war, mit seinem angeblichen Gedächtnisverlust getäuscht, berichtete die Zeitung.
Der in triefend nasser Kleidung und ohne Ausweispapiere gefundene 20-Jährige hatte von Anfang an alle Fragen nur mit der Zeichnung eines Klaviers beantwortet. Daraus waren Vermutungen abgeleitet worden, dass es sich um einen Pianisten handeln könne, der vielleicht ein traumatisches Erlebnis hinter sich gebracht oder einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und sich nicht mehr erinnern könne.
Zudem machten Berichte die Runde, dass er ausgezeichnet klassische Musik spielen könne. In der Klinik Little Brook in Dartford bestätigte sich dies jedoch offensichtlich nicht. Jetzt heißt es, dass er in der Klinik-Kapelle ständig nur auf einer Taste herumklopfte.«
In seiner ängstlichen Haltung und der ständigen Schweigsamkeit hatten Experten Hinweise auf eine autistische Störung vermutet. Am Freitag hatte eine Krankenschwester den Patienten gefragt: »Na, wollen sie heute mit uns reden?« Und er habe geantwortet: »Ja, ich glaube schon.«
Den Ärzten der Klinik soll er dann erzählt haben, dass er seinen Arbeitsplatz in Paris verloren habe und mit dem Zug nach Großbritannien gefahren war. Dort habe er sich das Leben nehmen wollen. Als er aufgegriffen und befragt wurde, habe er sich an das Verhalten von geistig Kranken erinnert, die er früher betreut hatte. Er kopierte typische Verhaltensweisen und konnte die Ärzte täuschen.

Artikel vom 23.08.2005