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Der Kreis schließt sich

Dirigent Pierre Boulez nimmt Abschied von Bayreuth

Von Stephan Maurer
Bayreuth (dpa). Die letzte Vorstellung des »Parsifal« heute bei den Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth ist eine ganz besondere: Pierre Boulez nimmt Abschied vom »Grünen Hügel«.
Pierre Boulez: Abschied mit »Parsifal«. Foto: dpa

Von 1966 bis heute spannt sich die Bayreuther Ära des großen französischen Dirigenten und Komponisten, der knapp 100 Mal im Festspielhaus dirigiert hat. »Das ist wie ein Kreis, der sich nun schließt«, sagt Boulez. »Mit ÝParsifalÜ habe ich begonnen, und mit ÝParsifalÜ werde ich aufhören.« Für Wagnerianer in aller Welt ist sein Name aber vor allem verbunden mit dem von Patrice Chéreau inszenierten Bayreuther »Jahrhundert-Ring« von 1976.
»Die Wirklichkeit übertraf alle meine Erwartungen« - so beschreibt der heute 80-Jährige in dem neuen Bildband »Pierre Boulez in Bayreuth« seine Eindrücke, als er 1966 erstmals das Bayreuther Festspielhaus betrat. Boulez war gekommen, um die »Parsifal«-Inszenierung von Wieland Wagner zu dirigieren, dem kurz nach den Festspielen 1966 gestorbenen älteren Bruder des heutigen Festspielchefs Wolfgang Wagner.
Bis 1970 dirigierte er dann den »Parsifal«. 1976, zur 100-Jahr-Feier der Festspiele, kam er wieder. Damals verband ihn bereits eine Bekanntschaft mit Wolfgang Wagner. »Trotzdem war ich, als er mir anbot, den Jubiläumsring zu dirigieren, völlig überrascht.« Damit nicht genug - Wagner bat Boulez auch um Vorschläge für einen Regisseur. Der Dirigent empfahl Chéreau, der damals noch nie eine Wagner-Oper inszeniert hatte. So kam es zu der heute legendären Inszenierung: bei der Premiere gnadenlos ausgepfiffen, bei der letzten Vorstellung 1980 mit schier endlosem Beifall gefeiert.
Erst 2004 kehrte Boulez noch einmal zurück, um für zwei Spielzeiten den »Parsifal« zu dirigieren - dies ausgerechnet in der mit vielen Konventionen brechenden Inszenierung von Christoph Schlingensief. Boulez freilich verteidigte den Theaterprovokateur: »Man muss auch etwas wagen können, sonst wird es langweilig!«

Artikel vom 23.08.2005