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Kirche muss »am Ball bleiben«

Katholische Theologen sehen religiösen Impuls nach Weltjugendtag

Köln (dpa/Reuters). Der Kölner Weltjugendtag und der Papst-Besuch haben Deutschland nach Ansicht der katholischen Kirche einen religiösen Impuls gegeben.
»So viele Menschen sind nachdenklich geworden. Wir müssen als Kirche jetzt am Ball bleiben«, betonte Weltjugendtags-Generalsekretär Prälat Heiner Koch gestern. Jugendbischof Franz-Josef Bode sagte, die Erfahrungen der Teilnehmer könnten einen »Schneeballeffekt« in den Gemeinden haben. Die Reformbewegung »Wir sind Kirche« kritisierte dagegen, die Amtskirche habe die »Chance verpasst, die jungen Menschen zu fragen: Welche Art von Kirche wollt ihr, und wo soll die Kirche hin?«
Jugendbischof Bode erwartet zwar nicht, dass die katholischen Kirchen schon an den nächsten Sonntagen voller werden, meinte aber: »Ich denke, dass insgesamt der Grundwasserspiegel des Verhältnisses zur Kirche und zum Glauben gestiegen ist.«
Nach Auffassung von Koch, der zugleich Seelsorgechef im Erzbistum Köln ist, haben der Glaube und die Spiritualität der Jugendlichen aus aller Welt auch jene beeindruckt, die der Kirche fern stehen. »Gerade Menschen, die eine Generation älter sind als diese jungen Leute, fragen sich jetzt, ob sie nicht etwas vergessen haben in ihrem Leben.«
Vor allem die Bilder aus Köln seien vielen Menschen »zu Herzen gegangen«, sagte Koch: der Papst auf dem Rheinschiff, vor dem Dom und bei den Gottesdiensten auf dem Marienfeld, aber auch die betenden und begeisterten jungen Menschen. »Wir müssen die Chance, die Glaube und Religiosität jetzt haben, nutzen.« Der Weltjugendtag werde auch bei den Teilnehmern nachwirken.
»Wesentlich ist, dass sie in Gruppen nach Köln gekommen sind.« In ihren Heimatländern und auch in den deutschen Diözesen würden die spirituellen Anstöße von Köln jetzt aufgearbeitet und in die Gemeinden getragen.
Tobias Raschke von »Wir sind Kirche« kritisierte, Papst Benedikt XVI. habe zwar gesagt, dass die Kirche erneuert werden solle. »Allerdings fand der Dialog nicht statt.« Insbesondere beklagte er die fehlende Auseinandersetzung mit den Themen Frauen als Priester, Zölibat und Sexualität.
Knuth Erbe, der Vorsitzende des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend BDKJ, sagte dazu: »Die kritischen Themen liegen auf dem Tisch, darüber wird gesprochen. Aber kurzfristig wird sich an der Haltung der katholischen Kirche nichts ändern.«
Zudem sagte Erbe, »der neue Papst muss seinen eigenen Stil finden, weil er vom Typ her anders ist als sein Vorgänger.« Benedikt wirke »eher intellektuell, schüchtern und hält sich zurück«, sagte Erbe. Dies sei jedoch erstmal nicht negativ. »Papst Benedikt soll keine Kopie seines Vorgängers sein.«
Die kritischen Theologen Uta Ranke-Heinemann und Eugen Drewermann (Paderborn) bescheinigten Benedikt XVI. einen guten Auftritt in Köln. Der Papst habe »alles gut gemacht«, sagte Ranke-Heinemann, sei aber kein Typ für solche Massenveranstaltungen.
Drewermann lobte, dass Benedikt XVI. den »Personenkult«, der unter Johannes Paul II. üblich geworden sei, nicht fortsetze.

Artikel vom 23.08.2005