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Zweijährige in den Kindergarten

Expertenkommission der Bundesregierung fordert auch frühere Einschulung

München/Berlin (WB/dpa). Im neuen Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung fordern Experten, bereits Zweijährige in die Kindergärten aufzunehmen.
Nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« werden in dem Report auch frühere Einschulungen sowie mehr und bessere Ganztagsschulen als notwendig erachtet. Allein für den Ausbau der Kinderbetreuung müsse der Staat jährlich bis zu 2,7 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen.
Der Kinder- und Jugendbericht wird einmal pro Legislaturperiode erarbeitet und entstand diesmal in einer Kommission mit sieben Mitgliedern unter Leitung des Direktors des Deutschen Jugendinstituts, Thomas Rauschenbach.
Nach Ansicht Rauschenbachs gibt es derzeit zu strikte Trennungen: Bildung sei vorrangig Ziel der Schulen, Betreuung sei für kleinere Kinder vorgesehen. »In Zukunft muss Schule mehr Betreuung und Erziehung leisten. Kindergärten und Krippen müssen sich stärker um Bildung kümmern«, verlangte Rauschenbach.
Ausgehend davon werden in dem Bericht zahlreiche Veränderungen angeregt. So sollen Kindergärten bereits Zweijährigen geöffnet werden. Nach Vollendung des zweiten Lebensjahres würden alle Kinder davon profitieren, urteilte die Kommission.
Etwa vom zweiten Geburtstag an habe jedes Kind ein starkes Bedürfnis nach Kontakt zu Gleichaltrigen und nach Erfahrungen, die sich nicht in der Familie machen lassen. Um bereits Jüngere in Kindergärten aufzunehmen, müsste vor allem in Westdeutschland die Kinderbetreuung ausgebaut werden. Darüber hinaus müsse die im Westen dominierende Halbtagsbetreuung zeitlich erweitert werden. Nach Ansicht der Kommission sollten mittelfristig auch die Kindergartengebühren abgeschafft werden.
Auch im Schulalltag sei eine umfassende Reform nötig, urteilten die Experten. Die notwendige Ganztagsschule dürfe keine Verlängerung der »Unterrichtsschule« sein. Stattdessen sollten Lehrer mit Unterstützung von Sozialarbeitern mehr Betreuungsaufgaben übernehmen. Sinnvoll seien »längere Präsenzzeiten« von Lehrern in der Schule sowie die Einrichtung persönlicher Arbeitsplätze für Lehrer.
Die Kommission plädiert zudem für eine frühere Einschulung. Derzeit liegt das Alter der Schulanfänger bei 6,7 Jahren. Es sollte allmählich auf 6,0 Jahre abgesenkt werden.
Dass in vielen Bundesländern bereits nach der vierten Klasse der Übertritt an eine weiterführende Schule vorgesehen ist, halten die Experten für fragwürdig. Anzustreben sei eine Verlängerung der Grundschulzeit wie in vielen europäischen Nachbarländern.
Für das flächendeckende Angebot von Ganztagsschulen in Deutschland haben sich 80 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Forsa-Umfrage ausgesprochen. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) sagte gestern bei einem Schulbesuch in Berlin, die Umfrage sei »eine klare Bestätigung des Ganztagsschulprogramms des Bundes«.
Schulen, die Elternsprechtage, Fortbildung oder Feiern während der regulären Unterrichtszeit abhalten, müssen aus Sicht der SPD bestraft werden. »Es geht nicht mehr ohne Sanktionen«, sagte die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Hannelore Kraft. Nachdem der Unterrichtsausfall schon zwei Jahre lang unverändert bei fünf Millionen Stunden jährlich liege, obwohl Tausende neuer Lehrerstellen geschaffen worden seien, müsse gehandelt werden.
Die Lehrergewerkschaft VBE kritisierte Kraft. »Lehrern die Schuld an fünf Millionen Stunden Unterrichtsausfall zuzuschieben, ist ein Schlag ins Gesicht und eine Verdrehung der Tatsachen«, erklärte der NRW-Vorsitzende des VBE, Udo Beckmann. Die SPD habe den Unterrichtsausfall in ihren Regierungszeiten jahrzehntelang zur Kenntnis genommen, ohne ihn wirksam zu bekämpfen

Artikel vom 25.08.2005