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Dreht zurzeit gewaltig am Rad: Levi Leipheimer, der Mann in Gelb.Foto: Voss

Der große Lehrer
heißt Armstrong

Leipheimers »Schattenkampf«

Von Sören Voss
Feldberg (WB). Ullrich? Basso? Oder wie heißen die Kandidaten, die nach dem Karriereende von Lance Armstrong in der Lage sind, dem Radsport ihren Stempel aufzudrücken? Vielleicht ist es mit Levi Leipheimer aber auch erneut ein US-Amerikaner.

Spätestens, seitdem der 31-jährige aus dem Team Gerolsteiner die Königsetappe der Deutschland-Tour gewann und das Trikot des Gesamtführenden trägt, ist er kein Geheimtipp mehr. Der Kalifornier ist ein ausgezeichneter Zeitfahrer, kann sehr gut klettern und hält auch den Belastungen eines dreiwöchigen Rennens absolut stand. Sieht man ihn an der Seite seiner Frau, so hat er sogar das Zeug zu einem Radsport-Popstar. Odessa Gunn heißt die Dame seines Herzens, und genau so sieht sie auch aus.
Dass Leipheimer in den Bergen keine Schwierigkeiten hat, ist einleuchtend. Schließlich war der US-Boy bis zu seinem 17. Lebensjahr ausschließlich Skifahrer, ehe er bei der Rehabilitation nach einem Sturz Gefallen am Radsport fand. Erst mit 20 Jahren sattelte er dann komplett um, wurde 1997 Profiradler.
Es folgten jeweils zwei Jahre beim Saturn- und US-Postal-Team. Als Mitglied der Mannschaft von Lance Armstrong sorgte Leipheimer erstmals mit seinem dritten Gesamtrang bei der Vuelta 2001 für Furore, wobei der Amerikaner Armstrongs Tourteam jedoch nicht einmal angehörte. Daher wechselte er nach seinem Durchbruch 2001 zu Rabobank, ehe er jetzt, im Trikot seiner neuen Mannschaft Gerolsteiner, die Tour de France als Sechster beendete.
In seiner Heimat kämpft Leipheimer vor allem darum, aus dem Schatten des scheinbar übermächtigen Lance Armstrong zu fahren. »Aber ich wünsche mir auch mehr Aufmerksamkeit für unseren Sport allgemein«, sagt der 31-Jährige: »Die Leute zuhause realisieren gar nicht, wie schwer unser Sport ist, wie hart wir arbeiten. Aber die ganze Lance-Story hat uns schon weitergeholfen.«
Obwohl das amerikanische Selbstvertrauen natürlich auch dem Radprofi in die Wiege gelegt worden ist, hält er sich mit Blick auf einen möglichen Gesamtsieg bei der Deutschland-Tour zurück. Für das heutige Zeitfahren, bei dem die Entscheidung fallen wird, sieht Leipheimer für sich nach seinem gestrigen Auftritt nun auch »reelle Chancen« auf den Gesamtsieg. Die Zeitfahrstrecke käme aber dem Kontrahenten entgegen: »Das flache Profil ist perfekt für Ullrich. Mein jetziger Vorsprung von 86 Sekunden wird nicht reichen«, stapelt der Amerikaner tief.
Doch diese Bescheidenheit hat Levi Leipheimer eigentlich nicht nötig. Er selbst ist nämlich ebenfalls ein starker Zeitfahrer, wurde in dieser Disziplin 2000 sogar Olympia-Vierter. Nicht umsonst sagt er: »Von Lance Armstrong habe ich am meisten gelernt.« Hoffentlich nicht auch, wie man Jan Ullrich am besten bei der Tour schlägt.

Artikel vom 22.08.2005