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Leitartikel
Weltjugendtag

Sie kehren
verändert
zurück


Von Reinhard Brockmann
Deutschland ist Papstland. So wie Karol Woityla einst die Polen als treue Paten seines Pontifikates zuwuchsen, so haben sich die Deutschen in dieser Woche mit ihrem Landsmann auf dem Stuhle Petri verbrüdert. Nicht auf ewig unkritisch, wohl aber liebevoll zugewandt und in christlicher Solidarität verbunden. Das ist das Ergebnis einer Woche, die wohl alle und nicht allein die Katholiken in diesem Land auf unterschiedlichste Art und Weise bewegt hat.
Das Ergebnis des Schlusstages mit dem größten Gottesdienst, der je auf deutschem Boden stattgefunden hat, ist noch weitgreifender. Niemand, der gestern den langen und beschwerlichen Weg zum Marienfeld gepilgert ist, konnte sich der Magie des Moments und der Massen entziehen. 500 000 junge Leute schon bei der Nachtwache mit dem Heiligen Vater und eine Million Gläubige am Sonntag beim Hochamt im allerbesten Wortsinne haben ein unübersehbares Zeichen gesetzt.
Menschen über Menschen, soweit das Auge reichte, schier endlose Pilgerzüge von Fußgängern aus allen Himmelsrichtungen, müde, mitunter ungewaschene Gesichter und strahlende Augen, erschöpfte Körper und Stimmen, aber glückselige Herzen: All das nahm gefangen.
Jeder TV-Zuschauer konnte besser sehen, aber nicht aus der Ferne riechen, spüren, hören und empfinden, was es heißt, wenn eine Million Stimmen anheben zu dem machtvollen Kirchenlied »Großer Gott wir loben Dich und preisen Deine Werke.«
Vor allem: Da war nichts Aufgesetztes, da war Authentizität. Kein Event, sondern ein wahrhaftiges Ereignis. Die Jugend kann auch ohne Alkohol und Rauschgift, sie braucht weder Primitiv-Jargon noch synthetische Stars der Musikindustrie oder Wege, die überängstliche Eltern und Erzieher ihnen stets glätten. Der Weltjugendtag hat nicht die Entweder- oder-Frage zwischen fromm oder hipp aufgeworfen, sondern einem staunenden Publikum gezeigt, dass ein alter Mann mit vermeintlich weltfernen Predigten von Tod und Auferstehung die volle Aufmerksamkeit der jungen Generation gewinnt.
Die junge Generation verdient unser aller Respekt. Jeder Teilnehmer hat erhebliche Unbequemlichkeiten in Kauf genommen. Zehntausende haben ehrenamtlich mitgeholfen, viele haben vor knapp zwei Wochen Gäste aus fernen Ländern bei sch aufgenommen, mit ihnen und von ihnen den Glauben neu kennengelernt, soziale Arbeit geleistet und auf dem Marienfeld im Lehm geschlafen. Auch haben sie die Kirche inhaltlich gefordert.
Immer deutlicher wird, dass es neben der traditionellen Liturgie eine zweite Ebene des Kirchenlebens gibt - und die ist beileibe kein reiner Event-Katholizismus. Jugendarbeit war schon einmal ein tragendes Element des Kirchenlebens. Hier darf mit neuer Blüte gerechnet werden. Sie waren gekommen, ihren Gott anzubeten. Wenn sie jetzt gehen, werden sie ihn im Herzen mitnehmen und nicht mehr loslassen.

Artikel vom 22.08.2005