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Leitartikel
Popanz »Reichensteuer«

Zu viel Hitze
lähmt
die Sinne


Von Rolf Dressler
Angela Merkel wird mehr und mehr zu einer wohltuenden Ausnahmeerscheinung: Hier ist jemand, der unaufgeregt argumentiert, anstatt sich möglichst turboglatt zu verkaufen wie ein x-beliebiges Produkt aus der Werbe-Retorte. Dem breiten Publikum - und keineswegs nur den Sympathisanten der Unionsparteien - fällt das offenbar angenehm auf im dröhnenden Wahlkämpfer-Wort- und Widerwort-Getöse. Meinungsumfragen zeugen davon.
Der Konkurrenz zur Linken hingegen - man merkt und hört es ihren Vorderleuten an - geht dieser Trend naturgemäß ganz gehörig gegen den Strich. Denn die Zeit bis zum 18. September drängt und drückt mit jedem Tag stärker.
Klar, dass neben den Alt-Klassenkämpfern Gregor Gysi und Oskar Lafontaine auch aktuelle Sozialdemokraten und Gewerkschaftler lustvoll in die ranzige Sahne von annodazumal hauen: Her mit der »Reichensteuer«! Denn dafür gab und gibt es noch immer Beifall. Und wer will sich seine Volksverdummungspropaganda schon durch noch so wahre, glasklare Fakten schon kaputtreden lassen?
Allen Hitz- und Trotzköpfen zum Mitschreiben zu empfehlen:
- Allein das oberste Zehntel aller Lohn- und Einkommensteuerzahler mit einem Jahresverdienst von 67500 Euro an aufwärts schultert hier in Deutschland mehr die Hälfte der gesamten Steuerlast. Und das obwohl der Spitzensteuersatz in der rot-grünen Regierungsära zunächst von 51 auf 45 Prozent und am 1. Januar 2005 dann nochmals auf nun 42 Prozent gesenkt worden ist.
- 25 Prozent, also ein Viertel aller Steuerbürger mit Jahreseinkünften oberhalb von 46600 Euro, steuern immerhin gut 73 Pro- zent, sprich: fast drei Viertel, zugunsten der Steuer-Staatskasse bei. Dagegen tragen die unteren 35 Prozent aller Steuerpflichtigen zwischen 8900 und 19600 Euro Jahreseinkommen lediglich 1,8 Prozent zur Gesamt-Lohn- und Einkommensteuer bei.
Daraus folgt, völlig nüchtern betrachtet: Die »Besserverdienenden« (zu denen wohlgemerkt auch schon hunderttausende mittlere Angestellte, Facharbeiter und öffentlich Bedienstete etc. gehören) und erst recht die vielgeschmähten »Reichen« bringen nachweislich den weitaus größten Brocken zu den Lohn- und Einkommensteuern auf. Weshalb denn wohl sonst, wenn nicht für besondere Qualifikation und Arbeitslei- stung, zahlen ihnen Privatunternehmen, öffentliche Arbeitgeber und selbständige Freiberufler überdurchschnittliche Entgelte bzw. Spitzengehälter für tatsächliche Spitzenleistungen?
So gesehen entlarven sich die ideologisch gepolten Wahlkämpfer selbst, wenn sie »den Reichen« und »den Besserverdienern« neuerlich lauthals pauschal einen »endlich gerechteren Beitrag« für die Allgemeinheit abfordern.
Dieser wirren Logik frönen auch die Grünen: Gerade haben sie mit der SPD den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent gesenkt - nun wollen sie ihn, kehrt Marsch, auf 45 Prozent zurück anheben.

Artikel vom 23.08.2005