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Schreier ruft zum großen Spiel

Pokal-Duell in Berlin: Oberligist MSV Neuruppin gegen FC Bayern München

Von Klaus Lükewille
Neuruppin (WB). »Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.« Diesen alten und ewig jungen Pokal-Hit dürfen die Fans des MSV 1919 Neuruppin schon beim Auftritt in der ersten Hauptrunde singen. Der Fußball-Oberligist bestreitet bereits am Sonntag um 17 Uhr im Olympia-Stadion sein großes »Finale«: Gegen den FC Bayern München.
Christian Schreier: Elf Jahre Profi in der ersten Liga.
24 Stunden vor dem Anpfiff bittet der MSV-Coach in der Traditions-Arena der Hauptstadt zum Abschlusstraining. Ein Fußball-Lehrer mit einer ostwestfälischen Vergangenheit: Christian Schreier (46) spielte von 1978 bis 1981 und von 1992 bis 1994 für den TuS Paderborn-Schloß Neuhaus.
Seit Februar 2004 betreut der frühere Bundesliga-Profi den MSV Neuruppin, verpasste im Mai 2005 in den beiden Entscheidungspartien gegen FC Jena nur ganz knapp den Regionalliga-Aufstieg.
»Dafür dürfen wir jetzt im Pokal dieses Spiel gegen den FC Bayern machen. Für jeden Amateur-Fußballer ein Traum,« sagt Schreier, der seinen »Traum-Abend« auf dem Rasen schon hinter sich hat: 1988 stand er in dem Leverkusener Team, das gegen Espanyol Barcelona den Uefa-Pokal gewann.
Nun geht es wieder um einen Cup. Aber dass seine Neuruppiner hier die erste Runde überstehen können, daran glaubt Schreier nicht: »Klar, meine Spieler sind heiß. Doch ich bin Realist: Wenn wir eine ordentliche Partie abliefern und keine zu hohe Packung kassieren, bin ich zufrieden.«
1:5 - damit wäre er einverstanden: »Ein Ehrentor gegen Kahn, das würde in die Geschichtsbücher der Stadt eingehen.« Hier stehen zwei große Namen: Der Baumeister Karl-Friedrich Schinkel (1781 - 1841) und der Schriftsteller Theodor Fontane (1819 - 1898) wurden in Neuruppin geboren.
Mit dem Erstrunden-Duell gegen den Pokalverteidiger hat auch der MSV ein ganz, ganz kleines Kapitel schon geschrieben. Fortsetzung folgt? Die Optimisten blätterten in alten Fußball-Büchern. Und siehe da: Bayern ist ja bereits drei Mal gegen »Kleine« in Runde eins gescheitert. 1990 mit 0:1 gegen Weinheim, 1991 mit 2:4 gegen Homburg und 1994 mit 0:1 gegen Vestenbergsgreuth. Na, also. Vielleicht geht da doch was.
Auf der Vereins-Internet-Seite steht diese Fan-Zuschrift: »Ihr blöden Bayern habt zwar Makaay, aber wir haben Krüger, Balke und Cepni.« Der Trainer kann darüber nur lächeln: »Sicher, im Fußball ist alles möglich. Aber die Bayern sind so gut drauf, da haben wir wohl keine Chance.« Sein Wunsch: Die Elf soll die Atmosphäre in der tollen Arena genießen. Und sein Blick nach vorn: »Berlin wird für uns ein einmaliges Erlebnis.«
Die Austragung im Volksparkstadion in Neuruppin kam nicht in Frage. Das normale Fassungsvermögen liegt bei 5000, teuere Zusatztribünen hätten insgesamt 11 000 Plätze gebracht. Dazu wären 100 000 Euro für Sicherheits-Maßnahmen gekommen. Der Trainer stützte die Vorstandsentscheidung sofort: »Der Umzug nach Berlin bringt nur Vorteile.«
20 000 Karten wurden bereits abgesetzt, Schreier hofft auf 25 000 bis 30 000 Fans im Olympia-Stadion: »Dann bleibt für uns ein dickes Plus.« Denn wenn auch die sportlichen Aussichten nicht so besonders gut sind, die beste Kasse der Vereinsgeschichte macht der MSV Neuruppin auf jeden Fall.
Schließlich setzen sie am Sonntag auch auf die Unterstützung der Anhänger von Hertha BSC. Schreier erwartet einen lauten und »bunten« Nachmittag: »Die Berliner haben die gleichen Vereins-Farben wie wir: blau und weiß. Das passt doch prima.«
Neuruppin in Berlin. Fußball-Wanderung durch die Mark Brandenburg. Denn fast die Hälfte der 32 000 Einwohner macht sich auf den 80 Kilometer langen Weg. Eine Stadt im Ausnahmezustand.
Nur Fontane und Schinkel werden selbst nach einem Cup-Triumph gegen den FC Bayern nicht abheben. Sie stehen fest zementiert auf Denkmal-Sockeln.

Artikel vom 20.08.2005