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Vogelgrippe erfordert erhöhte Wachsamkeit

Veterinäre vorbereitet - Geflügelzüchter in Sorge

Von Michael Schläger
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Die Vogelgrippe kommt immer näher. Doch Grund zu übereiltem Handeln bestehe nicht, sagen übereinstimmend Bielefelder Experten. »Größere Wachsamkeit ist aber geboten«, betont die Tierärztin Dr. Maren Bock vom Gesundheits-, Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt der Stadt Bielefeld.

Sie warnt dringend davor, aus Russland oder asiatischen Ländern rohe Eier oder Geflügelprodukte mitzubringen. »Dazu gehören auch Federn«, betont die Veterinärin. Die Gefahr, dass solche Produkte eingeführt werden, ist durchaus gegeben. In Bielefeld leben viele Russlanddeutsche. Es besteht reger Reiseverkehr in die ehemalige Sowjetunion.
Sorgen macht sich auch Wilfried Detering, Vorsitzender des Stadtverbandes der Rassegeflügelzüchter in Bielefeld. »Am kommenden Freitag ist der Kreistag der Geflügelzüchter«, berichtet er. »Da wollen wir über die aktuelle Lage sprechen.« Er rät seinen rund 700 Zuchtfreunden im Stadtgebiet, keine Geflügelprodukte an die Tiere zu verfüttern. »Früher war es zum Beispiel üblich Eierschalen zu trocknen und dem Futter beizugeben«, erläutert er. »Das sollte jetzt niemand mehr tun.«
Sollte Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) die Stallpflicht zum 15. September durchsetzen, sei das fatal für die Züchter. Detering bangt um die Geflügelausstellungen, die Stadtverbandsschau im November oder die Bundeszwergkämpferschau wenige Tage zuvor, zu der Züchter aus ganz Deutschland in Bielefeld erwartet werden. Die müssten abgesagt werden, sollte die Freilandhaltung eingeschränkt werden. In den Niederlanden gilt eine solche Einschränkung bereits für kommerzielle Geflügelhalter.
Seit 2003 sind mehr als 100 Fälle bekannt, in denen sich Menschen mit dem tödlichen Virus durch den Kontakt mit Geflügel angesteckt haben. Etwa 50 starben. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bisher noch nicht nachgewiesen worden.
»Erst wenn dies geschehen sollte, könnte auch ein wirksamer Impfstoff entwickelt werden«, erläutert Privatdozent Dr. Reinhard Bornemann, Oberarzt am Klinikum Mitte und Dozent am Fachbereich Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld. Zwar sei es nicht verkehrt, dass sich Menschen, die häufig in Kontakt mit Geflügel kommen, gegen Grippe impfen lließen. Doch die Impfstoffe, die jetzt ausgeliefert würden, könnten nur bedingt helfen. Und virushemmende Medikamente würden die Symptome lediglich lindern.
Sollte eine »Pandemie«, eine große Grippeepedemie, ausbrechen, wäre die Detmolder Bezirksregierung für die flächendeckende Verteilung von Impfstoffen und Virenhemmern verantwortlich. Dabei gilt, dass Hilfskräfte wie Ärzte oder Polizisten bevorzugt die schützenden Medikamente erhielten.
Doch soweit mag im Moment noch niemand denken. Aber die Verantwortlichen sind alarmiert. Setzt in wenigen Wochen der Vogelzug ein, wächst die Gefahr weiter, dass das tödliche Virus vom Ural in den Westen getragen wird.

Artikel vom 20.08.2005