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Mounir el Motassadeq verurteilt

Sieben Jahre Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung

Hamburg (dpa/Reuters). Der Marokkaner Mounir El Motassadeq ist in der Neuauflage des weltweit ersten Prozesses um die Terroranschläge vom 11. September 2001 zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Mounir el Motassadeq am Freitag beim Betreten des Gerichtsgebäudes: Nach dem Urteilsspruch wurde der Marokkaner sofort wieder in Haft genommen. Seine Verteidigung kündigte Revision an. Foto: dpa

Der 4. Strafsenat des Hamburger Oberlandesgerichts (OLG) sprach den 31 Jahre alten Motassadeq am Freitag wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig. Für den zweiten Anklagepunkt der Beihilfe zum Tod von mehr als 3000 Menschen sah das Gericht keine ausreichenden Beweise. Bei einem ersten Prozess war Motassadeq im Jahr 2003 zu 15 Jahren verurteilt worden. Motassadeq muss sofort wieder ins Gefängnis.
»Das ganze Bild sieht den Angeklagten als Mitglied einer terroristischen Vereinigung, nicht aber als Gehilfe der Mörder vom 11. September«, sagte der Vorsitzende Richter Ernst-Rainer Schudt in seiner Urteilsbegründung. »Nur hinter diesem Ergebnis kann das Gericht mit gutem Gewissen stehen.«
Das im Prozess als Beweismittel gewürdigte neue Material aus den USA, von den US-Behörden dem OLG »gnädig zur Verfügung gestellt«, habe »weder in die eine noch in die andere Richtung ausreichende Beweiskraft«, sagte Schudt. »Die Quintessenz des Urteils ist, dass Motassadeq Freund und enger Berater der späteren Attentäter ist.« Der Richter sprach von den »unvorstellbaren Dimensionen des Unrechts«, in die sich der Kern der Hamburger Gruppe begeben habe.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) betonte, das Urteil sei nach einer außerordentlich langen und sorgfältigen Beweisaufnahme gefällt worden. »Ich gehe davon aus, dass dieses Urteil auch in einer Revision Bestand haben wird«, sagte er in Berlin. »Mit diesem Urteil ist ein klares Zeichen gesetzt worden für die Entschiedenheit des Rechtsstaates im Kampf gegen den Terrorismus, es ist deshalb auch eine Ermutigung für die Sicherheitsbehörden.«
Die Bundesanwaltschaft hatte die Höchststrafe von 15 Jahren gefordert, auch wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen. Die Verteidigung wollte einen Freispruch erreichen. Der Angeklagte hatte im Prozess geschwiegen.
Bereits vor dem Urteil hatten Motassadeqs Anwälte angekündigt, bei einem Schuldspruch erneut in Revision zu gehen. Verteidiger Ladislav Anisic bekräftigte dieses Vorhaben am Freitag, zeigte sich zugleich zufrieden, »dass die Anklage der Beihilfe zum Mord weggefallen ist«. Anisic sprach von einer »halben Verurteilung und einem halben Freispruch«.
Die Bundesanwaltschaft will ebenfalls Revision gegen das Urteil einlegen. »Wir hätten gerne mehr gehabt«, sagte Bundesanwalt Walter Hemberger. Zunächst wollten sie aber die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.
Motassadeq war in einem ersten Verfahren vor dem OLG im Februar 2003 zu 15 Jahren verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil auf eine Revision des Angeklagten hin aber auf, weil es Mängel in der Beweisführung beanstandete. Die Geheimdienste der USA hatten möglicherweise entlastende Aussagen des mutmaßlichen Terrordrahtziehers Ramzi Binalshibh und anderer Inhaftierter unter Verschluss gehalten. Für das zweite Verfahren lieferte Washington die Verhörprotokolle.
Nach Überzeugung des Gerichts gehörten sowohl Motassadeq als auch der vom Terrorvorwurf freigesprochene und nach Marokko zurückgekehrte Abdelghani Mzoudi zum harten Kern der Gruppe um den späteren Todespiloten Mohammed Atta, allerdings »nicht zum ganz harten Kern«. Schudt sagte weiter: »Der Angeklagte ist ein Mitläufer, aber er distanziert sich nicht, er bleibt dabei.«
Nach Ansicht des Gerichts war Motassadeq in der Hamburger Gruppe für Organisation und Verwaltungsaufgaben zuständig. »Aber die Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe beweist nicht zwingend die Beihilfe zum Mord an über 3000 Menschen«, begründete Schudt die Entscheidung, diesen Anklagepunkt nicht zu berücksichtigen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 20.08.2005