20.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jenseits des Trubels: kleine
Fortschritte - große Bedeutung

Papst sucht das Gespräch mit Juden, allen Christen und den Muslimen

Von Reinhard Brockmann
Köln (WB). Der Dialog in und mit den drei Weltreligionen, die alle an den einen Gott glauben, war am Freitag und ist auch an diesem Samstag vom Wunsch nach Fortschritten geprägt. Jenseits des Trubels und der Freude auf der Straße trifft Papst Benedikt in diesen Tagen auf Juden, Vertreter der christlichen Kirchen und muslimische Gemeinschaften.

Allein der Besuch der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen, 60 Jahre nach deren fast totaler Zerstörung, war für den Zentralratsvorsitzenden Paul Spiegel von historischer Tragweite. Benedikt habe Brücken gebaut mit seiner Feststellung, dass die Wurzeln des Christentums im Judentum lägen.
Papst Benedikt XVI. knüpfte mit seinem Besuch an das erste Treffen von Papst Johannes Paul II. 1980 in Mainz mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Rabbinerkonferenz an. Er versprach, die Beziehungen und die Freundschaft mit dem jüdischen Volk »mit voller Kraft, Respekt und Liebe« weiter intensivieren zu wollen. Die Ermordung der Juden durch die Nationalsozialisten bezeichnete Papst Benedikt XVI. als Folge »wahnwitziger neuheidnischer Rassenideologie«. Weiter sagte er: »Die fürchterlichen Geschehnisse von damals müssen unablässig das Gewissen wecken, Konflikte beenden und zum Frieden ermahnen.«
Das Treffen begann mit dem jüdischen Totengebet Kaddisch, das Rabbiner Netanel Teitelbaum sprach. Synagogen-Vorstandsmitglied Abraham Lehrer nahm die Einladung zum vertieften Dialog auf und bezeichnete den Besuch als ein außergewöhnliches Zeichen. Nur so könne kirchlicher Antisemitismus bekämpft werden. Als weiteren Schritt in diese Richtung forderte er die Öffnung der Vatikanischen Archive.
Im Vorfeld des ökumenischen Treffens mit Vertretern der Evangelischen Kirche von Deutschland am Freitagabend sagte der frühere Paderborner Bischof Paul Cordes, heute Rom: »Als Papst wird er eine prophetische Botschaft bringen. Mit seiner Persönlichkeit wird er die Menschen überzeugen.« Cordes' Wortwahl stellt auf den riesigen Amtsbonus des Heiligen Vaters inmitten dieses Weltjugendtages ab. Widerspruch passt nicht zur Festtagsstimmung.
Aber in keinen Land der Erde wird etwa über das gemeinsame Abendmahl so leidenschaftlich diskutiert wie in der Heimat Martin Luthers. Dabei hält es Benedikt XVI. wie sein Vorgänger: Erst soll die Kircheneinheit erreicht sein, dann kann die Gemeinsamkeit in der Eucharistie folgen. Es gibt Unmut bei den jungen Katholiken, mehr noch in den evangelischen Landeskirchen. Viele glaubten, als der bisherige Präfekt der Glaubenskongregation Papst wurde, jetzt sei das Tischtuch durchschnitten. Aber Benedikt XVI. sendet inzwischen weniger strenge Signale aus.
Die Planung des Treffens blieb nicht ohne Zwischentöne: Was können zehn Abgesandte der EKD, zwei Freikirchenvertreter und acht Orthodoxe mehr bewirken als Präsenz zu zeigen, während der Pontifex Maximus spricht. Vor allem die Relationen warfen in Reihen der EKD fragen auf. Gerade 1,5 Millionen orthodoxe Christen in Deutschland entsenden acht Vertreter, 25,8 Millionen Protestanten zehn.
Gleichfalls freundlich distanziert dürfte das Treffen mit einigen, aber nicht allen muslimischen Gemeinschaften am Samstagabend ablaufen.
So spektakulär wie das interreligiöse Friedensgebet in Assisi 1986 und der erste öffentliche Moscheebesuch eines Papstes durch Johannes Paul II. 2001 in Damaskus, zuerst war er schon in Rom in einem jüdischen Bethaus, könne und solle das nicht werden, heißt es in Köln vorsichtig diplomatisch.

Artikel vom 20.08.2005