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Es wimmelt nur so vor Fantasie

Bilderbuch-Maler Ali Mitgutsch wird 70 - er erklärt Kindern den Alltag

Von Hilmar Bahr
München (dpa). Generationen von Kindern sind mit seinen Bildern aufgewachsen - seine Bücher finden sich in Kinderzimmern rund um den Globus: Ali Mitgutsch, Vater der »Wimmel-Bilderbücher«, wird an diesem Sonntag 70 Jahre alt.

Seine Bilderwelten mit dem feinen Blick für die skurrilen Details des Alltags fesseln bis heute kleine wie große Betrachter immer wieder neu. Die Internationale Jugendbibliothek Schloss Blutenburg in München ehrt den Jubilar mit einer Ausstellung (25. September bis 30. Oktober). Sein Hausverlag Ravensburger bringt einen Sonderband »Mein schönstes Wimmel-Bilderbuch« heraus.
»Das Wichtigste überhaupt für mich ist, die Fantasie anzuregen«, sagt der Münchner Autor, in dessen Büchern es von Menschen, Tieren und Erlebnissen nur so »wimmelt«. Die Kulisse sind Alltagswelten wie ein Marktplatz, eine Baustelle, ein Strand oder ein Mehrfamilienhaus und seine Bewohner. Fast ohne Worte entführt Mitgutsch seine Leser in die Welt eines Zoos, zeigt ihnen das Bauernhofleben und lässt sie auf dem Abenteuerspielplatz toben.
Jede der 15 Doppelseiten des Sonderbandes (32 Seiten, 9,95 Euro, ISBN 3-473-31222-3) zeigt eine Miniaturwelt, mit der Ali Mitgutsch auch an die großen Meister der holländischen Miniaturmalerei eines Hieronymus Bosch oder Pieter Brueghel des Älteren erinnert.
Sein erstes Kinderbuch stellte der gelernte Grafiker 1959 mit »Pepes Hut« vor. Es folgten Bücher wie »Ulus abenteuerliche Reise zum Nordlicht« oder »Nico findet einen Schatz«. Den Durchbruch als Bilderbuchmaler schaffte der in Schwabing und auf seinem Vierseithof in Niederbayern lebende Vater dreier Kinder 1968 mit »Rundherum in meiner Stadt«. Das erste der »Wimmel-Bilderbücher« wurde 1969 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet und bisher mehr als eine Million Mal verkauft. Insgesamt gingen seine in 19 Sprachen übersetzten Bücher nach Verlagsangaben allein in Deutschland mehr als vier Millionen Mal über den Ladentisch.
Der Sohn eines Münchner Bahnbeamten wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Während des Krieges kam die Familie in einem kleinen Dorf im Allgäu unter, wo das wenig robuste Stadtkind schnell zum Außenseiter wurde. Der Junge überstand die schwere Zeit, indem er sich »Luftschlösser und Fantasiewelten« erträumt, wie Mitgutsch noch heute freimütig berichtet.
Erst über einen Umweg kam er zu seiner eigentlichen Passion. Nach einer abgebrochenen Lehre als Lithograph wurde er zuerst grafischer Zeichner. Ein wohlmeinender Berufsschullehrer habe den entscheidenden Tipp gegeben: Sein Bruder sei freier Grafiker und erfrische sich an heißen Sommertagen, indem er sich einen »Schaff Wasser« unter den Tisch und die Füße hineinstelle.
Diese Art von »Freiheit« begeisterte Mitgutsch sofort für den Beruf des Grafikers. Nach Abschluss der Lehre absolvierte er ein Studium an der Münchner Kunstakademie. Besonders wichtig für seine künstlerische Entwicklung wurde, wie er betont, seine Leidenschaft für das Reisen, die er bereits als 15-Jähriger für sich entdeckt hatte. »Reisen sind für mich immer, als wäre ich ein Acker, der frisch umgepflügt wird. Abgenütztes verschwindet, tiefere Schichten kommen an die Oberfläche.« Inzwischen hat Mitgutsch mehr als 70 Bücher gezeichnet und - als jüngste Passion - zahlreiche kleine Flohmarkt-Miniaturen gebastelt. »Ansonsten«, sagt Mitgutsch, »bin ich damit beschäftigt, ein liebenswürdiger Alter zu werden«.

Artikel vom 20.08.2005