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Leitartikel
Köln feiert - andere grollen

Lasst den Kirchhof doch im Dorf


Von Rolf Dressler
Immer wieder im wechselvollen Lauf der Zeiten fügen sich die Dinge - oftmals gänzlich unverhofft - so wunderbar, als wären sie füreinander geschaffen von Anbeginn an. Mal sind Widerstreit, Kleinmut, Hader und Verdruss unserer Alltagshändel urplötzlich wie weggeblasen. Und ein andermal erfreuen sich - ebenso unversehens - die bunte Menschen-Welt und das Religiöse, Spirituelle einer neuen, beglückenden Nähe, nach der man sich im Innersten schon lange gesehnt hat.
Letzteres erleben und feiern gerade in diesen Tagen Hunderttausende vor allem auch junger Christen beim großartigen Weltjugendtag in Köln. Und mit ihnen Abermillionen an den Fernsehbildschirmen daheim. Glaubensfrohe, von Freude beseelte Menschen, wohin das Auge auch blickt.
Welch ein ermutigendes Zeichen. Wie armselig im Geiste nehmen sich dagegen unsere mediengestützten Chefnörgler und die Anti-Christen aus, die das Religiöse zu einem Überbleibsel von gestern niederreden und ihr Mütchen vorzugsweise an der Katholischen Kirche und an deren Oberhaupt kühlen.
Wahrlich Bände sprechen zwei aktuelle Presse-Schlagzeilen. Das Hamburger Wochenblatt »Die Zeit« verstieg sich zu der mürrischen Formulierung »Wer hört noch auf den Papst?« Und selbst der eigentlich bürgerlich-christlich-bayerische »Münchner Merkur« betitelte seinen Vorschau-Beitrag zum Kölner Weltjugendtag gleich oben auf der Seite 1 gar mit der hanebüchenen Behauptung: »Gläubige Jugend erwartet nichts von der Kirche«.
Wer die Kölner Feiertage miterlebt, fasst es nicht, empfindet allenfalls Mitleid für die Urheber solcher Wahrnehmungstrübung und Wirklichkeitsverfälschung.
Durchaus sinnverwandte Erfahrungen macht zur selben Zeit auf dem furchenreichen Feld des Weltlich-Politischen der parteilose frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Kaum hatte CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel ihn in ihr »Kompetenzteam« berufen - mit einer offenen Option auf ein Ministeramt -, da brach das Sturmgebraus der Konkurrenz auch schon los. Nach bewährtem Kampagnenmuster wird das unliebsame Vordenker-Schwergewicht für angeblich »umstritten« erklärt. Dabei hatte noch Ende 1999 sogar die linke Berliner »tageszeitung« (taz) geschrieben: »Was für ein prächtiger Finanzminister Kirchhof wäre - einer, der sich ganz freimachen könnte vom Bestehenden und Überkommenen und der mit Verstand, List und Sturheit eine radikale Steuerreform durchsetzen würde - gegen alle Kleingeister und Lobbyisten«.
Ein dicker Dorn im Auge ist Kirchhof der rot-grünen Konkurrenz aber aus einem noch tiefer liegenden Grund: Ihm ist es unerträglich, »dass die politische Linke eine Anti-Familienpolitik betreibt, die die Institution Ehe und damit die Familie gezielt aushöhlt«. Vor allem auch deshalb wird gerade diese kluge Personalwahl Angela Merkels sofort frontal angegriffen.
Das Weltbild des überzeugten Christen Paul Kirchhof ist nicht erwünscht.

Artikel vom 20.08.2005