19.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Benedikt zieht's zu der Jugend

Mit Engelsgeduld warten Hunderttausende am Rheinufer auf den Papst

Von Reinhard Brockmann
»Der Papst ist da.« Hermann-Josef Johanns, Geschäftsführer des XX. Internationalen Weltjugendtags, fällt mehr als ein Stein vom Herzen. Kaum einer beobachtet am Mittag mehr erleichtert, wie ein aufgeräumt wirkender Benedikt XVI. aus der Alitalia-Maschine steigt und freundlich winkt, obwohl eine Böe das weiße Käppchen davonträgt.

Sofort nimmt der Heilige Vater die Benedetto-Rufe auf, die sich zum Papst-Rap steigern. »Bene-dikt, Dich hat Gott geschickt!«
Bundespräsident und Bundeskanzler sind auch da auf dem Köln-Bonner Flughafen, aber irgendwie zieht es Benedikt mehr zu den jungen Pilgern, von denen er hier die ersten leibhaftig zu Gesicht bekommt. Er geht auf eine Gruppe von Behinderten zu, dann ist er bei jungen Leuten mit Klampfe und Fahnen. Ein Freudenfest, nicht nur für Fotografen und Kameraleute, aber auch eine Empfang mit Tiefgang und Herz.
Er sei glücklich, mitten unter den Jugendlichen zu sein, ihren Glauben zu stützen und ihre Hoffnung zu beleben. Gemeinsam wolle man nachdenken über das Jugendtagsmotto »Wir sind gekommen, um ihn anzubeten.«
Tausende hängen ihm an den Lippen, als er von einer »nicht zu versäumenden Gelegenheit, die Bedeutung des menschlichen Dasiens als Pilgerschaft unter der Führung des Sterns auf der Suche nach dem Herrn zu vertiefen«, spricht. Er unterstreicht die »langen und reichen Traditionen Deutschlands« auf der geistigen Suche und seinen großen Denkern. Spielend verbindet er Philosophie, Theologie und die »mystische Erfahrung einer ganzen Schar von Heiligen«. Er erwähnt Bonifatius, die Heilige Ursula und Albertus Magnus, aber auch Edith Stein und Adolf Kolping.
In der Stadt geht danach nichts mehr. Während der Papst auf gesperrten Straßen zum Haus des Kölner Erzbischofs rauscht, ist rund um den Dom, auf den Stadtautobahnen und den Rheinbrücken alles dicht. Auch der Pilgerstrom zu den Gebeinen der Heiligen Drei Könige ist gestoppt. Auf der gegenüberliegenden Rheinseite am Messe-Zentrum haben Zehntausende die Hoffnung aufgegeben, noch über den Fluss zu gelangen. Müssen sie auch nicht. Die Poller Rheinweisen sind auch von hier aus zu erreichen. Schon um 11.30 Uhr sind 20 000 bis 30 000 Pilger dort.
Mit einer Engelsgeduld stehen die jungen Leute am Rheinufer, um ihn dann endlich zu sehen. Nicht größer als eine Stecknadel steht die weiße Gestalt auf dem Vordeck der »MS Rhein-Energie«. Die Begeisterung kennt trotzdem keine Grenzen. »Benedetto, Benedetto«, schallt es von beiden Ufern. Jubel brandet auf, als er in fünf Sprachen zu den Gläubigen spricht. Mehrere hunderttausend Menschen bereiten dem deutschen Papst ein herzliches Willkommen.
Der Rhein ist zum Ganges geworden. Bis zum Bauch stehen Hunderte an diesem heißen Tag im Fluss, dahinter staffeln sich die Reihen dichtgedrängt, so hoch wie die Ufer reichen. Vater Rhein erweist sich als würdiger und kraftvoller Pilgerweg des Heiligen Vaters. Lautsprecher entlang des gesamten Wasserweges übertragen die Worte Benedikts. Junge und Alte skandieren fromme Lieder, manche beten inbrünstig, andere sind inmitten des Trubels in Meditation versunken.
Die, die nicht getauft sind, begrüßt der Papst besonders. Auch die, die das Beten verlernt haben, sind ihm willkommen. Und auch wenn der Papst sie nicht hört, jubeln ihm die Menschen zu.
»Durch die Kirche werdet ihr Christus treffen, der auf euch wartet.« Und dann ist sie da, die Geste Benedikts von jenem Tag, an dem er sich der Welt als neuer Papst präsentierte: Die Arme weit ausgebreitet, den Körper gerade aufgerichtet und man glaubt ihn lächeln zu sehen, obwohl er hunderte Meter entfernt über dem Wasser steht.

Artikel vom 19.08.2005