20.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Hier sagt niemals jemand »nein«

Zehn Jahre Caroline-Oetker-Stift - Tag der offenen Tür am 28. August

Von Matthias Meyer zur Heyde und Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). »An diesem Haus muss man einfach alles mögen!« Mit den übrigen 100 Bewohnern ist sich Herta Paetsch (91) einig, dass es eine glückliche Entscheidung war, ins Caroline-Oetker-Stift zu ziehen. Das »schönste Haus der Stadt« feiert in diesen Tagen sein zehnjähriges Bestehen.

Der Baustil mondän, das Interieur gediegen, der Service exquisit - kein Wunder, dass sich die Senioren im 1995 eingeweihten Stift munter wie die Fische im hauseigenen Teich fühlen. Vom ersten Spatenstich an hat Ernst Dux (72) die Errichtung des halbrunden, der Architektur Baden-Badens nachempfundenen Stifts beobachtet und ist - typisch Mann - von der technisch anspruchsvollen Hangbauweise hingerissen.
»Und als vor fünf Jahren unsere Traumwohnung mit Blick auf den schönen Garten zu haben war, zögerten wir nicht lange und verkauften unser Eigenheim in Altenhagen«, sagt Dux' Ehefrau Elene (73). »Wir wollten selbstbestimmt wohnen, weitgehend frei von Pflichten leben, aber auf die Sicherheit von Hilfe aus dem Hintergrund nicht verzichten.«
Das Wohlfühlambiente ist untrennbar mit der Stiftsdirektion verknüpft: Jürgen Rottschäfer (60) und seine Frau Thérèse (52) haben - lange vor dem ersten Spatenstich - an der Konzeption gefeilt. Die Familie Oetker wünschte eine gehobene Einrichtung, die nicht mit bestehenden Seniorenheimen konkurrieren würde, und Rottschäfer besaß langjährige Erfahrung aus seiner Arbeit beim KWA (Kuratorium Wohnen im Alter).
Denn von Position und Anzahl der Steckdosen bis zum fachgerecht zubereiteten Schonkost-Menü wollte vieles sorgfältig bedacht sein. Dass die Senioren Rollatoren benutzen, ist mittlerweile gang und gäbe - »also haben wir, auch auf Anregung von Maja Oetker, die Kieswege teeren lassen.« Die Themenwochen mit kulinarischen Köstlichkeiten von Fisch bis Pasta finden riesigen Anklang - »jetzt überlegen wir, übers Jahr zwölf Spezialitäten-Wochen anzubieten.«
Im Ruhestand möchte mancher die Welt sehen - die nächste gemeinsame Reise führt von Koblenz nach Amsterdam den Rhein hinunter. Was nicht die Direktion organisiert, nehmen eben die Bewohner in die Hand - den Yogakurs und auch den Englischunterricht. Die Maxime der Rottschäfers: »Niemals nein sagen!« Zumindest in modifizierter Form lassen sich alle Wünsche verwirklichen. Manchmal wird das Ehepaar selbst überrascht: »Neulich habe ich auf der Speisekarte ein Menü Ýà la duxÜ entdeckt.« Des Rätsels Lösung: Elene Dux-Guetter hatte dem Küchenchef Peter Bechauf das Rezept für ein thailändisches Gericht verraten - und das kitzelte dann die Gaumen der Gourmets.
»Hier möchte ich hin!«, wusste Ilse Kothy (82), seit Anfang 1997 im Caroline-Oetker-Stift zu Hause. Die Städterin - »ich bin in Berlin aufgewachsen« - wünschte sich ein Appartement mit Blick über die Dächer von Bielefeld und bekam es. Zum reibungslosen Miteinander trägt sie mit ihrem Engagement als Heimratsvorsitzende bei: »Ein zeitintensives Amt, das Vertrauen braucht - aber auch Vertrauen schafft.«
Dass das Stift, zusätzlich zu den 48 Mitarbeitern mit einem Stab von 15 qualifizierten Pflegedienstfachkräften kooperiert, gewährt zusätzliche Sicherheit, wenn der Körper nicht mehr ganz so will, wie es der Geist befiehlt. »Nach einem Unfall, bei dem ich mir den Arm brach, sollte ich stationär ins Krankenhaus, aber das kam nicht in Frage«, erzählt Elisabeth Sahlmüller (83). Sie gesundete lieber unter den Händen der hauseigenen Pfleger. »Und wenn ich Gäste habe, bereitet mir Herr Bechauf ein Essen nach Wunsch zu.«
»Wir behandeln alle mit dem gebotenen Respekt - plumpvertraulicher, herablassender Umgang mit den Bewohnern, wie er anderswo zu hören ist, ist hier undenkbar«, sagt Rottschäfer. Diskrete Hilfe ist in Notlagen sofort zur Stelle; erst im Falle verwirrter Senioren stößt die offene Einrichtung, die ja niemanden einschließen darf, an ihre Grenzen.
Ingeborg Rothe (83) siedelte vor fünf Jahren ins Caroline-Oetker-Stift über, nachdem ihr Mann gestorben war: »Alleine in unserer früheren abgelegenen Wohnung wurde es mir zu einsam.« Freunde hatten ihr den Tip gegeben, »und hier ist wirklich alles picobello - es fehlt mir an nichts.«
So viel Leistung hat ihren Preis. Die Appartements (28 bis 72 m2, ein »Ausreißer«: 102 m2) kosten zwischen 1644 und 2734 Euro. Aber im Preis sind sogar Versicherungen enthalten - da relativiert sich einiges. »Der Spruch vom Heim der Millionäre zeugt von tiefer Ahnungslosigkeit«, versichert Ilse Kothy.
l Andere sehen das ähnlich: Zum Tag der offenen Tür am Sonntag, 28. August, von 10 bis 18 Uhr haben sich schon jetzt mehr als 100 Interessenten angemeldet. »Da wollen wir unseren Gästen mögliche Berührungsängste nehmen - wer über unsere Schwelle tritt, verliert nicht etwa, er gewinnt neue Freiheiten.«

Artikel vom 20.08.2005