20.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Alle Ausleihlisten aus 100 Jahren

Vorm Bibliotheksjubiläum steht unerwartet umfangreiche Aktensichtung

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Deutlich umfangreicher als man sich vorgestellt hatte, entwickeln sich die Recherchen über 100 Jahre Stadtbibliothek Bielefeld. Jubiläumsdatum ist der 1. Dezember 2005. Klaus-Georg Loest, stellvertretender Leiter der Stadtbibliothek: »Wir sichten zurzeit Aktenmaterial, das bislang noch nie ausgewertet wurde.«

Das Material stammt unter anderem aus dem Stadtarchiv, aber auch aus dem Bundesarchiv in Koblenz und diversen anderen Archiven. »Die städtischen Akten sind hochinteressant,« sagt Loest, der erstmals auch für jedes Jahr des Bestehens der Stadtbibliothek die Ausleihzahlen zusammen stellt. Obwohl es bereits vor 1905 in Bielefeld Bibliotheken - die Bücher darin waren von wohlhabenden Familien gespendet worden - und eine Lesehalle gab, ist der 1. Dezember 1905 der Tag, an dem die erste professionell geführte Bibliothek mit einem sortierten und erschlossenen Bestand - 3000 Bücher - eröffnet wurde. Bielefelds Bücherei sei im Rahmen einer Bibliotheksgründungswelle, die sich rund 70 Jahre lang bis etwa 1920 hinzog, eröffnet worden, so Loest.
Ein Original-Buch aus dem ersten Bestand hält Loest in Händen: das »Buch der Lieder« von Heinrich Heine, erschienen in 4. Auflage 1900. Loest: »Der Band hat auch den Brand von 1944 überstanden.« Titel, die bereits vor 100 Jahren auf der Ausleihliste standen, gibt es auch heute noch. Loest: »Die Klassiker wie Goethe oder Schiller natürlich.«
Erstmals aufgearbeitet werde auch die NS-Zeit - auch mit Bestandslisten der Bücher, die damals überhaupt noch in den Regalen geduldet wurden. Ebenfalls Zensur geübt worden sei, so Loest, während der Besatzungszeit nach dem Krieg. Überrascht hätte ihn unter anderem, welche für das Bibliothekswesen bahnbrechende Erfindungen in Bielefeld gemacht worden seien, darunter zum Beispiel die Fotoverbuchung, die bundesweit eingeführt worden sei. Viel erfahren habe man zudem über das Gebäude, in dem die Stadtbibliothek nach der Sparkasse beheimatet ist. Geplant sei unter anderem eine Spezial-Gebäudeführung für Architekturinteressierte mit Bibliothekschef Harald Pilzer und dem früheren Sparkassen-Vorstand Prof. Helmut Steiner. Loest betont, dass Kriege und Krisen in dem Jubiläumsbändchen, für das es auch eine gewisse Auswahl historischer Fotos gibt, aufgearbeitet würden: »In 100 Jahren Bibliothek spiegelt sich die deutsche Historie wie in einem Wassertropfen.«

Artikel vom 20.08.2005