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Vorsorge gegen Vogelgrippe

Freilandhaltung wird verboten - EU-Importstopp für Geflügel aus Russland

Berlin (dpa/Reuters) Aus Sorge um ein Übergreifen der Vogelgrippe auf Deutschland will die Bundesregierung die Freilandhaltung von Geflügel verbieten. Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) zeigte sich besorgt: »Wir nehmen das Schlimmste an«, sagte sie.
Verbraucherstaatssekretär Alexander Müller erklärte gestern nach Beratungen von Experten, dass Geflügel im Stall gehalten werden soll. Eine Ausnahme seien Wasservögel wie Enten oder Gänse. Sie sollen verstärkt kontrolliert werden.
Die Vorschläge sollen nun in eine Verordnung münden, deren Entwurf den Bundesländern schnell vorgelegt wird. Die Schutzmaßnahmen sollten spätestens zum 15. September greifen, falls das Virus dann westlich des Urals sei. Der Krisengipfel mit Experten empfahl auch die flächendeckende Untersuchung von Wildvögeln auf das Vogelgrippevirus H5N1. Künast betonte: »Die Wildvögel kommen im September. Vorher müssen Maßnahmen entsprechend umgesetzt werden.«
Die Europäische Union hat unterdessen den geplanten Importstopp für Geflügel, Geflügelprodukte und Vögel aus Russland und Kasachstan verhängt. Ein solches Verbot der EU gilt auch schon für viele südost-asiatische Länder.
Das Robert Koch-Institut (RKI) forderte mehr Verantwortung des Bundes bei der Vorsorge für eine mögliche Grippe-Epidemie bei Menschen. »Die Bevorratungspolitik der Länder ist nicht optimal«, kritisierte Präsident Reinhard Kurth. Deshalb sollte »der Bund mehr Verantwortung übernehmen, dazu müsste letztlich sogar das Grundgesetz geändert werden, da müssen die Länder mitspielen.« Die Bundesländer hätten bislang nur für zehn Prozent ihrer Bevölkerung entsprechende Grippe-Medikamente bestellt, sagte Kurth.
Die Bedrohung durch eine weltweite Grippe-Epidemie ist laut Kurth so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Bislang habe sich das Vogelgrippe-Virus noch nicht so verändert, dass es eine solche Pandemie auslösen könne, sagte er weiter.
Niemand wisse aber, wann und wo der Erreger die entscheidenden Mutationen vollziehen könnte. Das Vogelgrippe-Virus H5N1 sei in den vergangenen Jahren eindeutig gefährlicher geworden. »Es bedarf immer geringerer Dosen, um Versuchstiere zu töten, immer häufiger greift das Virus auch das Gehirn seiner Wirte an.« Es infiziere eine Vielzahl von Vogel- und bisher acht Säugetierarten.
Eine vorbeugende Impfung von Geflügel halten das Verbraucherministerium und auch Kurth nicht für sinnvoll. »Eine Impfung schützt Geflügel zwar vor der Krankheit aber nicht vor der Infektion.« Die Tiere könnten damit das Virus dann weiter übertragen. Müller ergänzte: »Es gibt im Augenblick ein EU-weites Impfverbot«. Zudem ließen sich geimpfte und infizierte Tiere noch nicht unterscheiden. Derzeit werde aber ein Impfstoff entwickelt, bei dem das möglich sei.
Der Deutsche Tierschutzbund befürchtet den Tod von Millionen von Tieren, wenn die Vogelgrippe Deutschland erreicht. »Wir stehen vor einem Massentod in den Geflügelställen«, sagte Präsident Wolfgang Apel.
Nach russischen Regierungsangaben hat die Vogelgrippe noch nicht das Ural-Gebirge Richtung Europa übersprungen. Betroffen seien jedoch weiterhin Regionen im Westen und Süden Sibiriens, teilte das Ministerium für Zivilschutz mit. Auf der sibirischen Seite des Urals sei das Virus H5N1 in vier Dörfern aufgetreten.

Artikel vom 19.08.2005