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In aller Herrgottsfrühe
auf zum Dreikönigsschrein

Hörst Köhler lässt sich von der Begeisterung anstecken

Von Matthias Hoenig
Bonn (dpa). Um 5.00 Uhr morgens sind Julia (18), Denis (16) und Frederik (17) aufgebrochen - nicht, um einen Ferienflieger nach Mallorca zu bekommen, sondern um den Dreikönigsschrein im Kölner Dom zu besichtigen.

Die in Dormagen untergebrachten Weltjugendtagsteilnehmer gehörten gestern zu den ersten Pilgern der Domwallfahrt. »Die Besuchszeiten der Gruppen sind zwar festgelegt, wohl auch um den erwarteten Andrang der mehr als 400000 Weltjugendtagsteilnehmer in den nächsten Tagen zu entzerren, aber freiwillig ist die Entscheidung schon«, betont Denis.
Die rötliche Morgensonne lässt die bunten Ostfenster hinter dem Hauptaltar der gotischen Kathedrale eindrucksvoll zur Geltung kommen. Auf dem Fußboden sitzen im Schneidersitz gedankenversunken einige Pilger, manche knien und beten. Sie betrachten den goldenen Schrein aus dem 12./13. Jahrhundert, in dem nach kirchlicher Überlieferung die Gebeine der Heiligen Drei Könige ruhen sollen. Sie waren die ersten Pilger des Christentums, um das Christkind in der Krippe zu Bethlehem anzubeten, hatte bei der Weltjugendtags-Eröffnung Kölns Kardinal Joachim Meisner betont.
Warum pilgern 400000 Jugendliche nach Köln? »Man spürt, man ist mit seinem Glauben an Jesus Christus nicht allein«, sagt Julia. Die Faszination mit Jugendlichen aus 197 Ländern zusammen zu sein, nennen sie alle: Katharina (22) aus Slowenien, Yves-Marie (22) und Lucie (24) aus dem französischen Nantes oder Simon (21), John-Paul (19) und Eman (17) aus Kanada.
In der Kathedrale verstärkt religiöse Musik die spirituelle Grundstimmung. In kurzer Zeit strahlen die Lichtertische an den Nebenaltären, etwa für den Heiligen Antonius oder die Gottesmutter Maria im Kerzenschein. Viele Jugendliche zünden Kerzen an und beten. Manche haben Landesfahnen um den Rücken gewickelt, andere tragen eingerollte Flaggen.
Auch Bundespräsident Horst Köhler lässt sich von der Begeisterung der Jugendlichen anstecken. Für den Weltjugendtag und den Besuch von Papst Benedikt XVI. hat er in seinem Bonner Amtssitz, der Villa Hammerschmidt, Quartier bezogen. Mit viel Beifall wurden Köhler und seine Ehefrau Eva bei einem Besuch im »Globalen Dorf« der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands (KLJB) begrüßt.
»Hier ist kein Grieskram-Klima zu beobachten, sondern schlicht Begeisterung und ein großes Interesse am Andern«, sagte Köhler vor den Pilgern. »Das ist alles wegweisend.« Es gebe zwar auch Jugendliche mit einer »Null-Bock-Haltung«. Vorherrschend seien aber positive Einstellungen. »Ich bin nicht zu belehren, dass wir keine Chance haben sollten, eine bessere Welt zu schaffen.« Mit ihrem Engagement könnten die Jugendlichen dazu beitragen.Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 18.08.2005