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Schröder erinnert sich an die Bebel-Straße

Wahlkampfauftritt vor 7000 Menschen als Heimspiel - danach Plauderstündchen im Rathaus

Von Burgit Hörttrich und
Michael Schläger
Bielefeld (WB). Vor 7000 Menschen auf dem Bielefelder Rathausplatz eröffnete Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern den SPD-Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen. 45 Minuten lang sprach er zu den Zuhörern.

Und erinnerte gleich zu Beginn daran, dass ihn mit Bielefeld eine ganze Menge verbinde. »Hier habe ich 1966 mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg gemacht«, sagte der Kanzler. Und gewohnt habe er an einer »ganz besonderen Adresse«, der August-Bebel-Straße. Diese Anschrift sei für seinen weiteren Lebensweg nahezu verpflichtend gewesen, meinte der Kanzler. Schließlich war August Bebel Mitbegründer der SPD. Schröder bot routinierte Wahlkampf-Rhetorik, sparte nicht mit Angriffen gegen die Union und die CSU-Spitze. »Anstelle von Gemeinsamkeiten verbreitet die Gemeinheiten.« Den wenigen Störern auf dem Platz rief er zu: »Lasst das sein. Eure Stimmen gehen dabei kaputt.«
Der Bielefelder SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Wend hatte Schröder auf dem Rathausplatz begrüßt. Es komme darauf an, weltweiten Herausforderungen in der Wirtschaftspolitik zu begegnen, das Steuer- und das Bildungssystem weiter zu reformieren. Dies könne am besten mit Bundeskanzler Schröder an der Spitze geschehen, sagte Wend. Er forderte, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sich auf Augenhöhe begegnen sollten. Auch dies wollten die Sozialdemokraten in der Zukunft gewährleisten. Die eingeleitete Arbeitsmarktreform sei ein Schritt in die richtige Richtung. Die Reform werde schon bald Früchte tragen.
Der neue SPD-Landesvorsitzende Jochen Dieckmann betonte, die SPD stehe für eine »Politik mit sozialem Augenmaß«, wogegen Schwarz-Gelb eine »marktradikale Politik« verfolge, die die Gesellschaft spalte.
»Eingeheizt« hatte der Menge zuvor Frank Buschmann, der als Moderator von DSF und Premiere eigentlich nichts mit Politik, sondern mit Fußball am Hut hat. Deshalb stellte er klar: »Das hier wird keine Podiumsdiskussion über den eher mäßigen Saisonstart der Arminia.« Einen ersten »Beifallstest« nannte Buschmann »ausbaufähig«: »Da geht noch was!« Was sich bestätigte, als der Bundeskanzler, umringt von Personenschützern, den Rathausplatz von der Viktoriastraße aus betrat. Grauer Anzug, hellblaues Hemd, dazu ein Schlips mit hellblauen und roten Streifen und ein Lächeln im Gesicht. »Poooh, was sind hier viele Leute!«, freute er sich. Wer ihm vergleichsweise nahe kommen wollte, musste eine Einladung haben und ein Papierbändchen am Handgelenk tragen.
SPD-Unterbezirksgeschäftsgeführer Wilfried Schrammen hatte dafür gesorgt, dass das Publikum sich mit Bratwurst und Bier versorgen konnte, Waldi (18), Malte (12) und Paul (7) verteilten verkleidet und auf Stelzen im SPD-Auftrag 500 rote Rosen und Kinder wie Lea (6) oder Firat (7) prüften, ab das soziale Netz, das die Jusos aufgestellt hatten, auch hält. Nach seiner Rede zog sich Schröder noch in die SPD-Fraktionsräume im Alten Rathaus zurück. Für ein privates Plauderviertelstündchen mit Rainer Wend, Josef Denzer, Heinz Hunger, Hans Hamann und Georg Fortmeier nahm Schröder auf dem Sofa Platz, das dereinst Carl Severing, ehemaliger preußischer Innenminister, angeschafft hatte. Auf dem Weg zum 7er BMW schrieb er noch zwei Autogramme: »Für Doris von Gerd« (für Doris Grabitz) und »Für Katharina« (Klingberg/10). Wenig erfolgreich war für das städtische Presseamt der Versuch, den Schröder-Besuch im Foto zu dokumentieren: Vor Aufregung ist darauf nur des Kanzlers Schuh zu sehen.
Für die Polizei verlief der Einsatz weitestgehend ruhig. Wegen des großen Andrangs mussten die Beamten den Niederwall in Höhe des Rathauses komplett sperren. Einzelne, die an Gebäuden Transparente anzubringen versuchten, wurden daran gehindert.

Artikel vom 17.08.2005