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Ecuador bietet Stoff
für einen Politthriller

Krimipreis-Träger Blettenberg schreibt »wie eine Uzi«

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Unversehens gerät Wolf Straßner in Ecuador zwischen die Fronten. Gewerkschaften und Militärdiktatur liefern sich Kämpfe, und der deutsche Entwicklungshelfer droht darin umzukommen. Wem kann er vertrauen? Wolf Straßner ist die Hauptfigur des neuen Romans »Blut für Bolivar« von Detlef Bernd Blettenberg.
Soldaten durchkämmen den Dschungel in Ecuador. Das Militär stützt die reiche industrielle Oberschicht im Land und bekämpft die Gewerkschaften, die auf Seiten der Landbewohner stehen. Foto: dpaBlettenberg bekam 1981 den Edgar-Wallace-Preis.

Das Buch des mehrfachen Gewinners des Deutschen Krimi-Preises ist gerade vom Pendragon-Verlag in Bielefeld an die Läden ausgeliefert worden und kostet 9,90 Euro. »In dem politischen Kriminalroman geht es um den Konflikt zwischen den Hochlandindianern und der Oligarchie aus Industriellen und Militär«, sagte Blettenberg dieser Zeitung. Obwohl die Geschichte in den 70er Jahren angesiedelt sei, könne sie genauso gut heute spielen. Formal sei Ecuador eine Demokratie, an den wahren Machtverhältnissen habe sich aber faktisch nichts verändert.
Die Gegenwart bestätigt Blettenbergs Urteil: Gestern rief die Regierung in zwei Amazonas-Provinzen den Notstand aus und schränkte Grundrechte ein, nachdem Demonstranten die Produktion des staatlichen Ölkonzerns Petroecuador fast zum Erliegen gebracht hatten. Die ländliche Bevölkerung fordert von der Industrie eine größere finanzielle Unterstützung der beiden Provinzen.
Von 1972 bis 1976 lebte Blettenberg in Ecuador und hält sich seitdem über die politische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung auf dem Laufenden. »Der Politthriller hat autobiographische Züge«, sagt der Autor und erinnert an seine Zeit als Entwicklungshelfer für den Salesianer Orden.
In dem mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichneten Roman »Berlin Fidschitown« hatte Blettenberg seine Leser zuvor in die Unterwelt der deutschen Hauptstadt entführt, in das Labyrinth aus Bunkern, Tunneln und Stollen. Dort kämpfen rivalisierende vietnamesische Banden um die Herrschaft, und wieder gerät ein Mann zwischen die Fronten: Farang aus Thailand, der in das Land seines deutschen Vaters aufbrach.
»Ich entwerfe keine strahlenden Helden, die die Muskeln spielen lassen - es sind Menschen, die in etwas hineinlaufen, denen etwas passiert«, berichtet der Autor. Sein Ziel sei es, »möglichst spannende Unterhaltungsromane« zu schreiben. Aufrütteln, aufklären und eine Botschaft unter die Leser bringen wolle er nicht. Blettenberg (55) publiziert seit 25 Jahren, zehn Romane sind in dieser Zeit entstanden.
Die Behauptung, dass die Realität spannender sei als jede Fiktion, stimmt seiner Meinung nach nicht. In der Berichterstattung blendeten die Medien zu vieles aus: »Fiktion kann die Graubereiche, die Hintergründe ausleuchten, die sonst unberücksichtigt blieben.«
Klassische Krimis mag Blettenberg weniger: »Diese Kommissar-und-ihre-Assistenten-Geschichten langweilen mich.« Den Fernsehdauerbrenner »Tatort« hat er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen, weil es ihm schnuppe ist, ob der Kommissar Schnupfen hat. Als sein Vorbild nennt Blettenberg den Altmeister des Politthrillers, Eric Gambler. »Blettenberg schreibt wie eine Uzi«, meint die Wochenzeitung »Die Zeit«. Damit kann sich der Autor anfreunden. Er hasse Schachtelsätze wie die von Thomas Mann, betont er und verrät seine Maxime: »Kein Satz darf über zwei Zeilen gehen.«
Der Stoff geht dem gebürtigen Westerwälder, der zwischen seinen Reisen auf alle Kontinente immer wieder zu seinem »Stützpunkt« Berlin zurückkehrt, nicht aus: So denkt er über einen Roman nach, der in Afrika spielt, wo sich Blettenberg länger in Ghana aufhielt. Der Kampf um Wasser werde das große Thema der nächsten 20 Jahre sein, sagt er voraus: Das Gerangel um das kostbare Nass sorge schon jetzt für so viel Kriminalität, dass es für mehr als einen Thriller reiche.
Jedes Jahr kommen bis zu 200 neue deutschsprachige Krimis heraus. Krimi-Freunde machen nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 13 Prozent aller Romankäufer aus. Zur spannenden Literatur greifen mehr Männer als Frauen, besonders lesebegeistert ist die Altersgruppe um 40.

Artikel vom 19.08.2005