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Fahrt mit vielen Hindernissen

Rollstuhlfahrern bleibt am Gütersloher Bahnhof der Weg zu den Zügen versperrt

Gütersloh (WB/ag). Nach Köln wollten die Aphasiker-Selbsthilfegruppen Ahlen und Gütersloh aufbrechen, um den WDR zu besichtigen. Die Anreise mit der Deutschen Bahn erwies sich für die Teilnehmer, zu denen auch Rollstuhlfahrer gehörten, als äußerst hindernisreich - trotz vorheriger Absprachen mit der Bahn.

Aphasiker sind Menschen, die nach Schlaganfällen, Hirntumoren oder Hirnverletzungen unter Sprachverlust leiden. Ein Teil der Gruppenmitglieder war infolge ihrer Erkrankung mit Rollstühlen unterwegs. »Bei einem Vorgespräch mit der Auskunft der Bundesbahn in Gütersloh wurde uns versichert, dass es keine Komplikationen beim Transport von Rollstuhlfahrern geben werde«, erklärt Reinhard Ossig von der Regionalgruppe Gütersloh. Allerdings habe man schon nach kurzer Zeit feststellen müssen, dass sich der weg nach Köln als weitaus problematischer erweisen sollte: Der Bahnhof Gütersloh sei - so das Ergebnis eines Gesprächs mit dem Mobilitäts-Service der Bahn in Brandenburg - nun doch nicht für Rollstuhlfahrer geeignet. Der Grund: Die Lastenaufzüge, die die Rollstuhlfahrer benutzen müssten, seien vom TÜV stillgelegt worden. »Ein Ausweichen nach Oelde oder Wiedenbrück war aus technischen Gründen nicht möglich«, so Reinhard Ossig weiter. Nach langem Abwägen der Möglichkeiten habe man sich schließlich darauf einigen können, sich mit der Regionalgruppe Ahlen an deren Bahnhof zu treffen.
Auf der Fahrt nach Köln habe es danach keine weiteren Komplikationen gegeben. Freundliches Bahnpersonal und die Mithilfe der Bahnhofsmission Hamm hätten für eine störungsfreie Anreise gesorgt.
Anders gestaltete sich Ossig zufolge die Rückfahrt: »Im Abteil angekommen, waren alle behindertengerechten Plätze besetzt, die Toilette für Behinderte war außer Betrieb und konnte bis Hamm nicht benutzt werden. Die Geruchsbelästigung durch das defekte WC war für die Rollstuhlfahrer unzumutbar, da sie das Abteil nicht verlassen konnten«. In Ahlen habe man dann mit einem streikenden Lift zu kämpfen gehabt, nur aufgrund der Mithilfe des Liftbedieners sei es letztlich möglich gewesen, die Rollstuhlfahrer sicher zum Ausgang zu bringen. Für Reinhard Ossig steht fest: »Würden wir eine Bewertung der Bundesbahn abgeben, wäre ein ungenügend noch geschmeichelt«.
Ähnlich schlechte Erfahrungen mit der Bundesbahn hatten im Juni bereits einige Rollstuhlfahrer der Behinderten-Sportgemeinschaft Gütersloh beim Familienfest am Gütersloher Bahnhof gemacht. Auch sie waren angesichts der katastrophalen Zustandes der Lastenaufzüge und des Fehlens einer behindertengerechten Toilette entsetzt.
An diesem Zustand wird sich auch in naher Zukunft nichts ändern. Wie Bundesbahn-Pressesprecher Torsten Nehring auf Anfrage des WESTFALEN-BLATTes mitteilte, sei der Bahnhof Gütersloh nicht in der »Modernisierungs-Offensive« der Bahn verzeichnet. Somit seien kurzfristig auch keinerlei Verbesserungsmaßnahmen zu erwarten. »Für Rollstuhlfahrer ist der Bahnhof momentan nicht eigenständig ohne Hilfe der Bundesbahn-Mitarbeiter zu befahren«, gab Nehring zu. Dies sei zwar auch aus seiner Sicht eine »unbefriedigende Situation«, allerdings sprächen »auch wirtschaftliche Überlegungen« derzeit gegen kostspielige Baumaßnahmen.

Artikel vom 17.08.2005