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Leitartikel
Papst Benedikt in Köln

Die Saat
ist längst
aufgegangen


Von Reinhard Brockmann
Der Papst ist in Deutschland, herzlich willkommen! Wäre es einfach nur seine erste Auslandsreise, der Besuch von Benedikt XVI. wäre Ereignis genug. Durch den XX. Weltjugendtag aber werden die Begegnungen von Köln zu einem Eckstein des beginnenden Pontifikats in der Nachfolge von Johannes Paul II. Schon auf dem Flughafen überrascht Benedikt mit spontaner Offenheit. Noch auf dem Rollfeld verbinden sich Massenbegeisterung und theologische Tiefe. Faszinierend.
Keine Sorge, die große Zahl offizieller Gespräche und Programmpunkte des Heiligen Vaters bis Sonntagabend werden nicht den Blick ablenken vom Treffen der Weltjugend. Es ist umgekehrt: Zu sehr bestimmen allein die 280 000 Dauerteilnehmer im Alter von 16 bis 27 Jahren das Bild von Paderborn bis Passau, von Osnabrück bis Bonn. Die Frische und Unbekümmertheit, aber auch die für viele Deutsche überraschende Frömmigkeit verändern die Wirklichkeit. Der Wind der Jugend weht durchs Land und durch die katholische Kirche.
Man kann den Tag der Ankunft und der symbolkräftigen Schiffswallfahrt auf dem Rhein mit den kirchenpolitischen Dauerthemen belasten. Ökumene, Frauenpriestertum oder Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene: Darum geht es heute nicht, und doch gibt der Tag Antworten.
Wir sehen frohe Gesichter, hören frenetischen Jubel. Viele fühlen sich vor dem Bildschirm an Woodstock erinnert - und sind wieder nicht dabei gewesen.
Wer hingeht, trifft Jugendliche etwa aus Lateinamerika, die zutiefst fromm und zugleich radikal politisch sind. Kinderarbeit, Landlose, Kindersoldaten: Das sind die Themen, die sie umtreiben, deren Unrecht sie mit einem »Vater unser« wortstark begründen.
Es gibt die Bilder von evangelischen Christen, die im Riesenheer der Freiwilligen mit anfassen, selbst muslimische Mädchen sind dabei. Und dann Frère Roger, der weise, gute Vater von Taize. Dramatisch rückt sein Sterben, das keines ist, ins Bild. Mit Mutter Teresa und Johannes Paul II. hebt ihn Joachim Kardinal Meisner auf ein Podest. Rogers unnützer Tod stellt die Lebensfrage todernst. Nein, das hier ist nicht nur Happening, aber auch - und das macht es so engelleicht.
Ganz nebenbei erfahren wir, dass der Papst noch als Kardinal dem Protestanten Frère Roger höchstselbst die Kommunion reichte. Allein das steht im schroffen Kontrast zur Aufregung nach dem ökumenischen Kirchentag von Berlin. Damals kam einer von Deutschlands liberalsten Bischöfen, Reinhard Marx, nicht umhin, einen Priester zu maßregeln.
In Köln treffen auch 10 000 katholische Priester und Bischöfe auf ein Kirchenvolk, dem sie nicht mehr ausweichen können. Taize hat es vorgelebt, Johannes Paul II. hat die Idee der Weltjugendtage daraus abgeleitet. Die Saat ist längst aufgegangen.
Kleriker wie Laien werden verändert aus Köln zurückkehren. Sie haben den Segen des Papstes empfangen, der nur ein Diener ist.

Artikel vom 19.08.2005