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Leitartikel
Weltjugendtag in Köln

Begeisterung
der Jugend
fasziniert


Von Jürgen Liminski
Es ist das älteste Thema der Menschheit - jedenfalls seit der Zwangsräumung des Paradieses - und dennoch immer wieder neu: die Suche nach dem Glück. Sie scheint in unseren Tagen erneut aus dem Schattendasein der öden politischen und wirtschaftlichen Debatten hervorzutreten und die Gesellschaft zu beleben.
Ein großes Polit-Magazin macht daraus die Titelgeschichte, eine seriöse, weltweit verbreitete Tageszeitung widmet diesem Streben eine ganze Seite. Sind das die Vorboten einer Gegenbewegung zu der larmoyanten Miesmacherei, zur »kollektiven Depression« (Ulrich Beck), die die Deutschen seit langer Zeit befallen hat?
Selbst Bismarck fragte schon, wer denn einen glücklichen und ausgeglichenen Landsmann kenne, und der scharfsinnige Journalist Johannes Groß bemerkte zu dem Phänomen, dass die Deutschen eben nicht lösungsorientiert diskutierten, sondern theologisch, sie suchten immer einen Schuldigen.
Diese und ähnliche Befunde treffen auf die Politik zweifellos zu. Umso erstaunlicher ist es, dass gerade die Jugend, um deren ungewisse Zukunft es in den inhaltsleeren Debatten der Politiker geht, die Suche nach dem Glück nicht aufgegeben hat. Im Gegenteil, die Papstwochen im April und auch das Weltjugendtreffen in Köln zeigen ebenso wie sämtliche Umfragen der letzten Jahre, dass die meisten jungen Menschen auch heute noch den inneren Kompass für diese Suche nicht verloren haben. Der Schatz am Fuße des Regenbogens ist in ihren Herzen.
Einer, der jahrelang suchte und den Schatz schließlich fand, formulierte es in seinen späteren »Bekenntnissen« (Kapitel 23) so: »Das glückliche Leben ist nichts anderes als die Freude, welche die Wahrheit erzeugt, und diese Wahrheit findet man in Dir, Herr, in Dir, der höchsten Wahrheit.«
Es war der heilige Augustinus, und seine Erkenntnis deckt sich mit der Sehnsucht nach Geborgenheit, Sicherheit, Freundschaft, Liebe, die die jungen Menschen in Rom, Köln und sonstwo auf der Welt suchen und nicht selten auch in ihren bis dahin »unruhigen Herzen« finden.
Die Echtheit dieser jungen Leute ist eine Lektion. Ihre Begeisterung für den Glauben, ihre aufrichtige Suche, demoskopisch bekundet und pilgernd unternommen, ist ein Beispiel für nicht wenige Politiker. Sie messen die Ruhe ihres Herzens nicht an der Börse und auch nicht am Auf und Ab der Popularitätskurven. Für sie sind Werte keine rhetorische Ware, Überzeugungen keine Frage von Formulierungen. Sie erwarten von der Politik keine fertigen Konzepte oder Allheilmittel, das würde Politiker sicherlich überfordern.
Aber sie erwarten Ehrlichkeit und den Mut, gesellschaftliche Probleme ungeschönt zu benennen und sachgerecht, also weder ideologisch noch parteipolitisch anzugehen. Was der Einzelne aus letztlich seinem Leben macht, das bleibe ihm überlassen. Vielleicht lernt der eine oder andere Politiker etwas aus dem Kölner Ereignis für den Rest des Wahlkampfes.

Artikel vom 18.08.2005