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Abschied von den alten
Stahlglocken

Spezialisten arbeiten im Turm

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Nach mehr als einem halben Jahrhundert in luftiger Höhe über Verls Dächer ist für das Stahlgeläut der Pfarrkirche St. Anna das Ende der Dienstzeit gekommen. Seit gestern ist der Glockenstuhl leer.

Drei Spezialisten der über 400 Jahre alten Sinner Firma Rücker haben die vier tonnenschweren Glocken aus ihrer Eisenaufhängung »geschnitten« und per Flaschenzug auf den Boden der Glockenkammer herabgelassen. Dort warten die Engel- (800 Kilo), Marien- (1,5 Tonnen), Anna- (1,2 Tonnen) und Christkönigglocke (2,8 Tonnen) auf ihre letzte Reise: Mit einem Autokran werden sie aus dem Nordfenster des Turms gehievt und dann zum Verler Friedhof gebracht, wo sie als Denkmal der Gemeinde erhalten bleiben.
Seit Montag sind Glockergießermeister Hubert Kossmann, Schlosser Lothar Breidenich und Elektromonteur Hans-Jochen Peter mit dem Abbau des Geläuts beschäftig. In mühevoller Arbeit müssen sie die Stahlkonstruktion des Glockenstuhls zerlegen und die Aufhängungen der Glocken und die Klöppel abtrennen und den Glockenturm komplett räumen, um Platz für die sechs neuen Bronzeglocken und die alte Schutzengelglocke (800 Kilo) von 1922 zu schaffen, die zur Zeit repariert wird. Sie war die einzige verblieben Bronzeglocke in dem 1947 mit Stahlglocken erneuerten Geläut. Sie wurde bereits vor acht Wochen zum Schweißen weggebracht.
Abbau und Räumung des Geläuts und der tonnenschweren Stahlkonstruktion sollen noch bis Anfang kommender Woche erledigt sein. Bereits heute wird ein Baugerüst am Turm errichtet, ein Maurer muss das Nordfenster verbreitern, damit vor allem die mächtige Christkönigglocke hindurch passt Nach dem Abtransport wird der Raum für das neue Geläut vorbereitet: Über die uralten Eichenbohlen wird ein Fußboden aus Fichtenholz gelegt, dann baut das Expertentrio aus Hessen einen Glockenstuhl aus Eiche. »Durch den Fichtenboden und den Eichenstuhl wird der Klang besser«, erklärt Lothar Breidenich, der seit 27 Jahren für seine Firma durchs Land reist und Glocken montiert.
Die sieben Bronzeglocken werden in zwei Etagen aufgehängt. Im Rahmen eines kleinen Festes werden sie am 11. September geweiht. Bereits am 24. September sollen die drei historischen Glocken erstmals über den Dächern erklingen: die restaurierte Schutzengelglocke und die rekonstruierten Anna- und Marienglocke, deren Vorgänger die Gemeinde 1942 im Krieg zum Umgießen abgeben musste.
Das Spezialistenteam aus Sinn übernimmt nicht nur Abbau und Montage sondern auch die Installation der Elektrik und das Stimmen des Geläuts. Nach dem Verler Auftrag wartet auf Schlosser Lothar Breidenich schon ein neuer Auftrag, der ihn diesmal in weite Ferne führt: nach Moskau. Dort baut er drei Glocken ein, die aus einer Dortmunder Kirche stammen und bei der Firma Rücker eingelagert sind.

Artikel vom 17.08.2005