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Jungen gequält und erwürgt

Schüler aus Versmold nach stundenlangem Leiden vom Stiefvater getötet

Von Christian Althoff
Versmold (WB). Ein Junge aus Versmold (Kreis Gütersloh) ist von seinem Stiefvater misshandelt und lebensgefährlich verletzt worden. Anstatt einen Arzt zu holen, überließ der Mann den schwerverletzten Fabian (9) stundenlang sich selbst, bevor er das Kind erwürgte.

Fabian lebte zusammen mit seinem zweijährigen Bruder und seiner Mutter in Versmold. Die Frau hatte sich 2004 von ihrem Freund Fabrizio R. (33) getrennt, der mit der gemeinsamen Tochter (4) nach Geesthacht (Niedersachsen) gezogen war.
Trotz der Trennung war die Verbindung nie abgerissen. Deshalb hatte sich Fabrizio R. auch bereiterklärt, seine beiden Stiefsöhne in den Sommerferien zu sich zu nehmen, weil die Versmolderin wieder hochschwanger war. In der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung des arbeitslosen Bauschlossers im Zentrum von Geesthacht kam es dann am Freitag Nachmittag zu dem Verbrechen.
Oberstaatsanwalt Günter Müller: »Der Neunjährige hing sehr an seinem Stiefvater und versuchte alles, um die Familie wieder zusammenzuführen.« Aus diesem Grund soll Fabian den 33-jährigen wiederholt angelogen und ihm erzählt haben, seine Mutter wolle zu ihm zurück. Gegenüber der Mordkommission Lübeck hat Fabrizio R. angegeben, diese Lügen des Neunjährigen hätten ihn rasend gemacht. Der Oberstaatsanwalt: »Seinem Geständnis zufolge packte er den Jungen und schlug auf ihn ein. Dann trat er das am Boden liegende Kind.« Die Tritte trafen Fabian in Rücken und Bauch. Sie waren so stark, dass der Junge innere Verletzungen an mehreren Organen erlitt.
Der 33-Jährige überließ den lebensgefährlich verletzten, wimmernden Jungen sich selbst und kümmerte sich in den folgenden Stunden um die anderen beiden Kinder, die er schließlich ins Bett brachte. Als sich Fabian wegen seiner Verletzungen in der Nacht vor den Füßen seines Stiefvaters übergab, drehte der Mann durch. Er packte das Kind und würgte es, möglicherweise über den Tod hinaus. »Die Obduktion hat ergeben, dass der Mann dem Jungen etwa drei Minuten lang den Hals zugedrückt hat«, berichtete der Oberstaatsanwalt.
Fabrizio R. ließ das tote Kind im Wohnzimmer liegen und legte sich schlafen. Samstag Morgen gegen 9.30 Uhr rief er die Feuerwehrleitstelle in Ratzeburg an und meldete einen Unfall. Als der Notarzt eintraf, berichtete Fabrizio R., sein Stiefsohn sei bei einer Schlägerei auf dem Spielplatz schwer verletzt worden. Der Arzt erkannte die Situation allerdings sofort und alarmierte die Polizei.
Fabrizio R. legte bereits in der ersten Vernehmung ein Geständnis ab und gab zu, das Kind erwürgt zu haben. Der Staatsanwalt erwirkte einen Haftbefehl wegen Totschlags. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass sich das Verbrechen so abgespielt hat wie von Fabrizio R. beschrieben. »Hinweise auf einen sexuellen Hintergrund haben sich nicht ergeben«, sagte Möller. Fabrizio R. soll bereits wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft sein.
Seine Nachbarin Karin Lesko sagte gestern: »Für mich ist noch immer unbegreiflich, dass wir von den Misshandlungen nichts gehört haben. Wir hätten doch sofort geklingelt und wären eingeschritten!« Den neunjährigen Fabian kannte die Frau vor allem von zahlreichen Begegnungen im Treppenhaus: »Das war ein guterzogener, freundlicher, hilfsbereiter Junge.«
Fabians Bruder (2) und seine Halbschwester (4) sind am Wochenende von ihrer Mutter abgeholt worden und leben jetzt wieder in Versmold. Ob sie die Misshandlungen mit ansehen mussten, weiß die Mordkommission noch nicht. Die Familie wird von einem Seelsorger betreut.

Artikel vom 16.08.2005