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Ein »blendendes« 2:2

Das täuschende Resultat: Rückschlag in Rotterdam

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Rotterdam (WB). Manchmal ist es besser, ein Fußballspiel nicht nur auf sein Ergebnis zu reduzieren. Sonst drängt sich noch ein falscher Eindruck auf. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erreichte ein 2:2 in den Niederlanden - kann einer schlecht aussehen, der so ein ehrbares Resultat mitbringt? Und ob er das kann.

Zur Länderspiel-Premiere in dieser Saison zeigten die Deutschen wieder, warum sie als Spielpartner nicht wohl gelitten sind. Hat man sie im Sack verpackt, hüpfen sie wieder heraus. In solchen Augenblicken holt die Ansammlung von Rackerern zum gefürchteten Gegenschlag aus. Kämpfen können sie. Wenn um die Quelle der Inspiration auch ein großer Bogen geschlagen wird.
So erklärte Roy Makaay auch das Zustandekommen des Ausgleichs in der 81. Minute durch Gerald Asmaoh: »Wenn Deutschland schlecht spielt, sucht es immer noch nach einer Möglichkeit, zurückzukommen.« Passiert war vor dem 2:2, dass Tim Borowski an der Außenlinie Rafael van der Vaart den Ball abgrätschte. Symbolischer konnte der Prolog zum glücklichen Ende eines nicht überzeugenden Spiels kaum sein.
Auf höheres Niveau hatte sich allenfalls Michael Ballack aufschwingen können. Ihm war der Anschlusstreffer (49.) gelungen, nachdem Arjen Robben jeweils zu Beginn der Halbzeiten (2.,46.) die eigentlichen Verhältnisse in Rotterdam schnellstens klar gemacht hatte. Die Niederlande wirbelten, die Deutschen wackelten - daran konnte auch die Reaktivierung der Routiniers Christian Wörns und Didi Hamann nichts ändern.
Mag der Dortmunder wegen eines Mangels an erstklassigen Innenverteidigern durchaus gute WM-Chancen haben, so dürfte es für den Liverpooler in der DFB-Auswahl keine Zukunft mehr geben. Seine Unverzichtbarkeit konnte Hamann nicht nachweisen. Jürgen Klinsmann mochte und konnte den im gleichförmigen Trimmtrab agierenden 31-Jährigen aber nicht schon in De Kuip vor den Kopf stoßen. Der Bundestrainer schob ein Fernsehstudium vor: »Bevor wir über personelle Dinge reden, müssen wir das Spiel noch einmal sehen und auswerten. Danach können wir mehr sagen.«
Vieles aber auch jetzt schon. Zum Beispiel, dass der junge, hoch veranlagte Nationalspieler »Schweinolski«, auch als »Podolsteiger« bekannt, hoffentlich schnell wieder in Schuss kommt und nicht weiter geschont werden muss. So weit ist es ja schon: Dass die 20-Jährigen Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger als prickelndes Paar mit Spaß am Spiel vermisst werden. Die beiden stehen für die Frischzellenkur, die beim Confed Cup so gut anschlug.
Rotterdam war dagegen ein dreifacher Rückschlag: In Spielwitz, Taktik und Mannschaftsaufstellung. Da ist es auch etwas dürftig, die Moral der niemals Aufgebenden zu lobpreisen. Klar haben sie sich zusammengerissen. Wäre es aber dicke gekommen, hätte das auf dem Rasen wie früher zu oft rückwärtsgewandte Deutschland schon mit dem Pausentee ein 0:4 begießen können. Hier rüttelte Ballack die unsichere und vorsichtige Elf endlich auf: »In der ersten Halbzeit konnten wir nichts falsch machen, weil wir gar nichts gemacht haben. In der Pause haben wir uns vorgenommen: Wir müssen etwas probieren und riskieren.« Auf einem anderen Planeten schien sich hingegen Hamann aufzuhalten, der Deutschland sogar zum Punktsieger erklärte: »Bis auf die ersten 10 Minuten jeder Hälfte hatten wir die Holländer gut im Griff.«
Es war eben ein »blendendes« 2:2 - und ein wahres Täuschungsmanöver. Der Bundestrainer weiß das. Der Confed-Schwung ist futsch, alte Baustellen gibt es weiter, nichts anderes hatte Klinsmann allerdings auch erwartet. »Wichtig ist nicht der Stand von heute, sondern dass wir bei der WM in der Lage sind, auch die ganz großen Brocken zu schlagen.«

Artikel vom 19.08.2005