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Minister will
Polizisten zum
Sport zwingen

Viele Beamte sind nicht mehr fit

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Die Mehrzahl der 42 000 Polizisten in NRW missachtet den seit Jahren geltenden Erlass des Innenministeriums, jeden Monat mindestens zwei Stunden Sport zu treiben. Das hat der Landesrechnungshof herausgefunden, der zudem kritisiert, dass die Polizeibehörden für viel Geld Übungsleiter ausbilden lassen, die nicht zum Einsatz kommen.
Sportwissenschaftler Dr. Elmar Wienecke.

»Polizisten sollten fit sein«, sagt Jan Schabacker, Sprecher von NRW-Innenminister Ingo Wolff (FDP). »Sie müssen Menschen aus dem Wasser retten, Straftäter überwältigen und auch mit einem Puls von 150 noch schießen können.« Doch die Realität sieht anders aus. So hängte im vergangenen Jahr in Bielefeld ein Drogensüchtiger, der aus dem Amtsgericht geflohen war, einen Streifenbeamten und seine Kollegin schon nach ein paar hundert Metern ab - kein Einzelfall.
Der Anteil der Polizisten, die am vorgeschriebenen Dienstsport teilnehmen, liegt nach Ermittlungen des Landesrechnungshofes nur zwischen 35 und 45 Prozent, und das Innenministerium bestätigt diese Zahlen. Bei den Beamten, die die Sportangebote ihrer Behörde annehmen, handelt es sich zumeist um ohnehin sportbegeisterte Polizisten, die auch in ihrer Freizeit aktiv sind. Ihre unsportlicheren, gelegentlich auch übergewichtigen Kollegen ignorieren das Angebot oftmals. »Und das wird sich nicht ändern, solange die Missachtung des Sporterlasses ohne Konsequenzen bleibt«, heißt es im Bericht der Rechnungsprüfer.
Die Prüfer bemängeln, dass die Behörden andererseits Übungsleiter ausbilden lassen, deren Zahl in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu den Sportangeboten stehe. So gebe es in einem nordrhein-westfälischen Polizeipräsidium 79 Polizisten, die in vierwöchigen Lehrgängen als Übungsleiter geschult worden seien - bei Kosten zwischen 4560 und 7080 Euro pro Mann.
»Wir sind gerade dabei, einen neuen Sporterlass zu formulieren, um das Problem in den Griff zu bekommen«, sagt Ministeriumssprecher Schabacker. Ob es bei der Verpflichtung zu zwei Stunden pro Monat bleiben wird, ist noch ungewiss. »Aus sportwissenschaftlicher und medizinischer Sicht sind 120 Minuten Sport im Monat ein Witz«, sagt Dr. Elmar Wienecke vom Gesundheitszentrum »Saluto« in Halle (Kreis Gütersloh). Wer seine Fitness verbessern und gesundheitsfördernde Effekte erzielen wolle, müsse wöchentlich mindestens drei Mal 30 Minuten Sport treiben: »Zum Beispiel schwimmen oder joggen.« Im Innenministerium wird deshalb überlegt, ob die Anforderungen des Deutschen Sportabzeichens als Richtwerte in den Erlass aufgenommen werden. Ein 30 bis 39 Jahre alter Beamter müsste dann 200 Meter in sieben Minuten schwimmen, 4,5 Meter weit springen, 100 Meter in 14 Sekunden laufen, einen 1,5 Kilogramm schweren Ball 34 Meter weit schleudern und fünf Kilometer in 25:30 Minuten bewältigen.
»Das Sportabzeichen als Richtschnur hätte bei den Kollegen eine große Akzeptanz«, glaubt Udo Linnenbrink, Vorsitzender der »Gewerkschhaft der Polizei« (GdP) in Ostwestfalen-Lippe. Auch die GdP sehe die Notwendigkeit, die Fitness der Beamten deutlich zu erhöhen: »Und zwar ausnahmslos - vom Streifenbeamten bis hin zum Behördenleiter«, sagt Linnenbrink.

Artikel vom 19.08.2005