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Widerstand gegen Gaza-Abzug

Demonstranten blockieren Zufahrten - Scharon bekräftigt: »Keine Gewalt«

Gaza/Jerusalem (Reuters/dpa). Israel hat gestern nach 38 Jahren Besatzung mit seinem Abzug aus dem palästinensischen Gaza-Streifen begonnen. Die jüdischen Siedler erhielten eine letzte Aufforderung, das Gebiet bis morgen freiwillig zu verlassen.
Hunderte von radikalen Abzugsgegnern hinderten die Soldaten daran, die Räumungsanweisung der Regierung in den Siedlungen zu verteilen. Sie blockierten Zufahrten und provozierten Rangeleien mit Polizisten. Offiziellen Angaben zufolge harren noch mehr als die Hälfte der 8500 Siedler im Gaza-Streifen aus. Sie werden von 5000 ultranationalistischen Israelis verstärkt, die den Abzug verhindern wollen.
Ministerpräsident Ariel Scharon bekräftigte im Kabinett jedoch: »Wir werden keine Gewalt und Hetze von Seiten derjenigen akzeptieren, die uns ihre Meinung aufzwingen wollen.«
Es ist das erste Mal, dass Israel Land aufgibt, das die Palästinenser für ihren künftigen Staat beanspruchen. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas lobte den Abzug als einen wichtigen und historischen Schritt. Dieser dürfe aber nicht auf den Gaza-Streifen beschränkt bleiben, sondern müsse auch »das Westjordanland und den Rest des Landes innerhalb der Grenzen von 1949 einbeziehen«, sagte er. Die israelische Regierung bestätigte gestern in einem Beschluss auch die Räumung des größten Siedlungsblocks im Gaza-Streifen, Gusch Katif im Süden.
Mehr und mehr Siedler begannen im Laufe des gestrigen Tages, der Aufforderung der Regierung zu folgen und ihre Sachen zusammenzupacken. Die Armee hat ihre Hilfe beim Packen und Transport der Habe angeboten. Wer das Gebiet bis heute um Mitternacht nicht verlassen hat, wird dem Schreiben der Regierung zufolge von morgen an zwangsgeräumt. Dann will die Armee auch alle Siedler-Sympathisanten wegbringen, die sich zur Unterstützung des Widerstands in das Gebiet eingeschmuggelt haben. Seit Montag um Mitternacht ist Gaza von der Armee vollständig abgeriegelt. Vor der größten Siedlung im Zentrum des Gaza-Streifens, Newe Dekalim, bildeten Siedler Blockaden und errichteten provisorische Barrikaden, um die Soldaten draußen zu halten. An der Hauptzufahrt beteten bärtige Männer lautstark um ein göttliches Eingreifen. Andere bewarfen Polizisten mit Farbbeuteln und setzten Autoreifen in Brand. Zudem forderten sie die Soldaten auf, sich ihren Befehlen zu widersetzen.
In der Siedlung Morag appellierte eine Frau unter Tränen und mit einem Kleinkind auf dem Arm an einen Soldaten, der ihr die Frist-Ankündigung in die Hand drückte. An einem anderen Haus klopften die Soldaten an eine Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift hing: »Wir ziehen von hier nicht weg.« Chaim Gross, einer der Bewohner Morags, sagte: »Auf diesem heiligen Land ist viel Blut geflossen. Es wurde Abraham für die Juden genannt, und wir werden es nicht verlassen.« In den weniger religiösen Siedlungen im Norden des Gaza-Streifens stießen die Soldaten kaum auf Widerstand. Zwei Siedlungen im Westjordanland wurden schongeräumt. Israel hat 50 000 Soldaten und Polizisten aufgeboten, um den Abzug zu bewerkstelligen. Zudem bezogen 7500 palästinensische Sicherheitskräfte Positionen rund um die Siedlungen, um Angriffe von Palästinensern zu unterbinden.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 16.08.2005