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Leitartikel
Wahlkampf

Die Probleme
spricht kaum
jemand an


Von Dirk Schröder
Arbeitslosigkeit, Rekordverschuldung, Wachstumsschwäche. Es gibt wahrlich genug Probleme, die in Deutschland gelöst werden müssen und im Mittelpunkt des Wahlkampfes stehen sollten. Doch bisher ist davon reichlich wenig zu hören.
Beim Bundeskanzler ist es ja noch verständlich. Gerhard Schröder hat es mit seiner rot-grünen Regierung nicht geschafft, einen Weg aus der Misere aufzuzeigen, vielmehr hat er das Land noch tiefer in diesen Schlamassel gerissen. Spätestens mit seiner Ankündigung vom 22. Mai, Neuwahlen anzustreben, hat er doch längst das Handtuch geworfen.
Im letzten Moment erinnert er sich jetzt noch einmal an die Zeit vor drei Jahren, als er im Vorfeld des Irak-Krieges das Verhältnis zu den USA schwer beschädigte und Europa entzweite. Mit dieser Haltung jedoch erhielt er die notwendigen Stimmen für seinen knappen Wahlsieg - sein Kalkül war aufgegangen.
Warum es nicht noch einmal versuchen? Diesmal ist es die Iran-Karte, die Schröder zieht. Wieder einmal zielen seine Worte gegen die USA, wieder einmal torpediert er das europäische Bemühen um eine Lösung. Fakt ist aber doch: Iran will die Atombombe. Europäer und Amerikaner versuchen, Teheran davon abzubringen. Mit Druck, aber auf dem Verhandlungsweg. Der Kanzler dagegen hat nichts Besseres zu tun, als vor einer US-Militäraktion zu warnen. Das allein ist schon verantwortungslos, weil es Teheran in die Hände spielt. Dass er diesen Atomstreit obendrein noch für innenpolitische Zwecke instrumentalisiert, ist schäbig.
Aber auch das wird ihm diesmal nicht helfen - selbst wenn Union und FDP der Öffentlichkeit das Bild vermitteln, als scheuten sie noch vor der sich bietenden Chance. Nicht zu verstehen ist, dass sich die FDP so wenig mit der rot-grünen Bilanz auseinandersetzt. Stattdessen reiben sich die Liberalen mit der Union an dem einzigen Punkt aus deren Regierungsprogramm, den sie wohl nicht verhindern können, nämlich an einer möglichen Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Und die Union ist fast nur mit sich selbst beschäftigt. Noch immer vermitteln eine Reihe der CDU-Oberen den Eindruck, als hätten sie sich weiterhin nicht damit abgefunden, dass demnächst sehr wahrscheinlich eine Frau Bundeskanzlerin wird. Es ist doch auffallend, wie einige CDU-Ministerpräsidenten sich betont zurückhalten. Denn wenn es ihnen wirklich um die Zukunft Deutschlands ginge, müsste die Unterstützung für Angela Merkel größer sein.
Nur einer hat sich in den letzten Wochen nicht zurückgehalten: der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sorgte wieder für Schlagzeilen. Doch hat er damit der Spitzenkandidatin mehr geschadet als geholfen. Am Mittwoch nun stellt Angela Merkel ihr Kompetenzteam vor. Ihr größter Coup wäre, wenn sie doch noch Friedrich Merz überreden könnte. Dies würde ihre Stellung stärken. Es wird wirklich Zeit, dass die wichtigen Themen den Wahlkampf bestimmen.

Artikel vom 16.08.2005