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Man muss auch mal
Kompromisse eingehen

Ein-Euro-Jobs bieten nicht in allen Fällen Perspektiven

Von Pamela Przybylski
Kreis Höxter (WB). Es ist kühl. Gerade hat sich wieder eine schwarze Wolke vor die Sonne geschoben. Es beginnt zu regnen. Reinhold Lücking geht unbeirrt weiter den Weg in der Nähe der Steinheimer Stadthalle entlang. Mit einer Harke kratzt er dabei das Unkraut aus den Steinen. »Mir macht das Spaß«, sagt er und lächelt. »Ich bin froh, dass ich jetzt wieder einen geregelten Tagesablauf habe.«

Zweieinhalb Jahre war er arbeitslos. Seit Dezember arbeitet er beim Bauhof in Steinheim - für 1,50 Euro die Stunde. Er gehört zu den etwa 300 Ein-Euro-Jobbern im Kreis Höxter.
Ziel der Ein-Euro-Jobs ist es, Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) wieder an den Arbeitsalltag zu gewöhnen. Im Idealfall soll durch den Job eine Festanstellung vermittelt werden. Das bleibt jedoch die Ausnahme. Die Caritas bilanzierte nun, dass nur knapp fünf Prozent der Langzeitarbeitslosen durch den Ein-Euro-Job ein fester Arbeitsplatz vermittelt wurde. Auch im Kreis Höxter sieht es nicht besser aus.
»Wo es keine Arbeitsplätze gibt, kann man leider auch keine Leute einstellen«, sagt Sascha Stahl von der Volkshochschule Höxter. Die VHS ist einer von acht Trägern der Ein-Euro-Jobs - darunter auch die Caritas - im Kreis Höxter. Sie betreuen und beraten die Jobber, sind Ansprechpartner für den Arbeitgeber, falls es Probleme gibt.
Björn Kirek hatte Glück. Einen festen Arbeitsplatz hat man ihm zwar nicht versprochen, aber dafür eine Ausbildung zum Sozialassistenten, die er Ende des Monats antreten kann. Eineinhalb Jahre hatte er zu Hause gesessen, als er im Herbst vergangenen Jahres die Möglichkeit bekam, an dem Modell »für aktiv« teilzunehmen. Dieses Modell ist ein Pilotprojekt der Ein-Euro-Jobs, die es offiziell im Kreis Höxter erst seit dem 1. März 2005 gibt. Kirek nahm einen Job im Konrad-Beckhaus-Heim (KBH) in Höxter an.
»Pflege ist das, was ich schon immer machen wollte«, sagt er. Die Begeisterung für den Beruf blieb auch seinem Stationsleiter im KBH, Egmont Schmidt, nicht verborgen. Er setzte sich dafür ein, dass der 25-Jährige die Chance auf einen Ausbildungsplatz bekam - mit Erfolg. »Wenn ich das Angebot nicht bekommen hätte, würde ich sicher nicht so positiv über die Ein-Euro-Jobs denken«, sagt er. Allein die Aussicht auf den Ausbildungsplatz habe ihn über den geringen Verdienst hinwegsehen lassen.
Auch Grazyna Misiewicz würde nicht auf Dauer für 1,50 Euro Stundenlohn arbeiten wollen - das ist der Betrag, den die meisten Jobber bekommen. Die 50 Cent entsprechen dem Fahrgeldanteil. Gesetzlich festgelegt ist, dass er zwischen 1 und 2 Euro liegen muss. Trotzdem ist sie froh, dass sie den Ein-Euro-Job bei der Gleichstellungsbeauftragten in Höxter bekommen hat. »Ich bin ausgeglichener, weil ich endlich wieder unter Leute komme«, erzählt sie. Zwei Jahre lang war die ausgebildete Justizangestellte arbeitslos. Nun hat sie ihr eigenes Büro, arbeitet selbstständig und kann ihre Arbeitszeiten auf den Stundenplan ihrer siebenjährigen Tochter ausrichten. »Ich werde als gleichwertige Kollegin behandelt und der Job macht mir auch Spaß«, sagt die 30-Jährige. Für die Zukunft hofft sie aber auf eine Festanstellung.
Wie sie einen Ein-Euro-Job im Büro zu haben, ist eher eine Seltenheit. Da Ein-Euro-Jobs keine regulären Arbeitsplätze verdrängen dürfen, handelt es sich meist um zusätzliche Arbeiten im Bereich der Grünpflege. Auch Reinhold Lückings Harke würde im Wagen bleiben, wenn er nicht selbst darum gebeten hätte, den Ein-Euro-Job beim Steinheimer Bauhof machen zu dürfen. Er ist froh über den Zusatzverdienst, der ihm nicht vom ALG II abgezogen wird. Damit deckt er die Kosten für die Autoversicherung und Reparaturen. »Die Perspektive für eine Festanstellung können wir ihm leider nicht geben«, sagt Bauhofleiter Rainer Drewes. Reinhold Lücking hofft nun, dass endlich eine seiner bisher insgesamt 100 Bewerbungen positiv beantwortet wird. Wenn nicht? Der 46-Jährige zuckt mit den Schultern. »Ich würde auch wieder einen Ein-Euro-Job annehmen. Man darf ja nicht nur fordern, man muss auch mal Kompromisse eingehen.«

Artikel vom 17.08.2005