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Halbe Tankfüllung für 4,72 Euro

Benzinpreise steigen und immer mehr Autofahrer setzen auf Gasantrieb

Von Jens Heinze
Bielefeld (WB). Bärbel Helsch (48) fährt einen VW Passat 1.8, Baujahr 1998, mit 102 Pferdestärken unter der Motorhaube. Wenn die Bielefelderin mit ihrem silbermetallic-farbenen Pkw an der Tankstelle vorrollt, dann zahlt sie für eine halbe Tankfüllung gerade einmal 4,72 Euro. Was andere Autofahrer 30, 40 oder 50 Euro kostet, lässt die 48-Jährige völlig kalt. Denn in den Tank ihres VW kommt kein Diesel, Benzin oder Superbenzin, sondern Erdgas.

Seit vier Jahren fährt Bärbel Helsch Erdgasauto, der Passat ist ihr zweites. »Der Benzinpreis wird immer höher. Etwas besseres konnte einem ja nicht passieren«, freut sich die Beraterin für Pflegeüberleitung des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld (früher Johanneskrankenhaus beziehungsweise Krankenanstalten Gilead und Mara) bis heute über die im Jahr 2001 getroffene Entscheidung, von Benzin auf Gas umzusteigen. Obwohl ihr Pkw ein sogenanntes Nachrüstfahrzeug ist, also erst nachträglich den 75-Liter-Erdgastank in den Kofferraum eingebaut bekam und nach wie vor über einen vollwertigen und jederzeit zu nutzenden Benzintank verfügt, kann sich Bärbel Helsch nicht mehr erinnern, wann sie den Benzintank ihrer Limousine das letzte Mal vollgefüllt hat. Sie ist Gasautofahrerin aus Überzeugung und greift aufs Benzin nur dann zurück, wenn der Gasvorrat im VW aufgebraucht ist. Und der Preisvergleich gibt ihr recht: Der Liter Normalbenzin lag gestern bei 1,30 Euro, das Kilo Erdgas gibt es dagegen steuerbegünstigt und preisstabil für 64,9 Cent.
3000 bis 4000 Euro kostet die Nachrüstung eines herkömmlichen Benzinautos zum Erdgasfahrzeug (der Gastank liegt in der Regel im Kofferraum). Bei etwa 2500 Euro liegt der Aufpreis, den man für ein ab Werk mit Erdgastanks im Autounterboden ausgestatteten Neuwagen zahlen muss. Der Neuwagen hat dann aber im Gegensatz zum Nachrüstfahrzeug nur noch einen Benzin-Nottank mit 14 Litern Fassungsvermögen. Doch lassen sich Nachrüstung oder Neuwagenkauf nachträglich wieder refinanzieren - zumindest teilweise. Die Stadtwerke fördern Gasautos mit bis zu 2000 Euro im Jahr (siehe untenstehenden Artikel).
Generell, sagt Werner Kittel, Serviceleiter bei Opel Hagemann, lassen sich alle mit Benzin betriebenen Autos mit einer Leistung von maximal 50 PS pro Zylinder mit Erdgastanks nachrüsten. Doch es gibt Grenzen und Ausnahmen: Superbenzin-Direkteinspritzer, so genannte Spar- und Dieselmotoren seien nicht gasgeeignet.
Und, das sei nicht verschwiegen, wer seinen Pkw auf Erdgas umrüsten lässt, der muss trotz der Freude über die plötzlich so geringe Tankrechnung einige Nachteile in Kauf nehmen. Der explosionssichere Tank wird hinter der Rückbank eingebaut - das Kofferraumvolumen schrumpft also. Das Gleiche gilt für die PS-Leistung des Motors im Erdgasbetrieb - Mann oder Frau hinter dem Steuer haben durchschnittlich zehn Prozent weniger Pferdestärken zur Verfügung. Außerdem kann es sinnvoll sein, die Federung auf der Hinterachse zu verstärken, damit der Erdgastank im Kofferraum den Pkw nicht durchhängen lässt.
Außerdem verspricht der durchschnittliche 75-Liter-Erdgas-Tank nicht ungebremste Fahrfreude. Opel Hagemann-Serviceleiter Kittel: »In den Tank passen etwa 13,5 Kilo Erdgas, was einer Reichweite von knapp 200 Kilometern entspricht.« Doch wenn die nächste Erdgastankstelle nicht in Sicht ist, bleibt das Auto nicht stehen: Die Technik schaltet automatisch auf den Zweittank mit dem - jedoch sehr viel teureren - Benzin um.
Aber es gibt eine Alternative zum Erdgas - das ebenfalls von den Stadtwerken geförderte Flüssiggas. Der so genannte Radmuldentank, der dort im Kofferraum eingebaut wird, wo sonst das Reserverad liegt, verspricht eine Reichweite von 450 bis zu 700 Kilometern. Und im Preis, sagt Serviceleiter Werner Kittel, sei das Flüssiggas - zu bekommen an der Stadtwerke-Tankstelle an der Brüggemannstraße, der Avia-Tankstelle an der Stadtheider Straße und an der Westfalen-Tankstelle an der Elverdisser Straße - sogar noch unschlagbarer: der Liter liegt bei nur 56 Cent.

Artikel vom 16.08.2005