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Zeuginnen Angst vor Verfahren nehmen

Mädchenhaus und Frauennotruf arbeiten mit Staatsanwaltschaft zusammen

Bielefeld (uko). Weibliche Opfer sexualisierter Gewalt sollen sich künftig unter professioneller Begleitung stressfreier und intensiver auf Strafprozesse vorbereiten können. Dieses Projekt haben Vertreterinnen des Mädchenhauses, des Frauennotrufs und der Staatsanwaltschaft jetzt vorgestellt.
Konkret: Ab September bekommen betroffene Zeuginnen mit einer Anklageschrift des sie betreffenden Verfahrens auch ein Schreiben, in dem ihnen die »Prozessbegleitung« angeboten wird. Ganz neu ist diese Thematik nicht, denn in Schleswig-Holstein werden Frauen im Hinblick auf die Prozesse und während des Strafverfahrens gegen die Täter vor den vier Landgerichten betreut. Seit Jahren bedeutet das dort wie auch künftig im Landgerichtsbezirk Bielefeld: Erfahrene Sozialpädagoginnen, Pädagoginnen und Psychologinnen bieten die Vorbereitung und die Begleitung während der meist umfangreichen Verfahren an.
In Bielefeld sorgen für diese Betreuung das Mädchenhaus und der Frauennotruf, kündigten Astrid Schulze Berndt und Melanie Rosendahl für ihre Organisationen am Freitag an. Bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld stieß diese Initiative sofort auf Zustimmung, wie gestern die Staatsanwältinnen Ruth Dringenberg-Enders und Ute Beckmann bekräftigten. »Unser ureigenstes Interesse sind nachhaltige Strafen«, sagte auch Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart, der das Dezernat für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung leitet. Voraussetzung seien glaubhafte und konkrete Aussagen der Frauen und Mädchen, die in den Prozessen die Opfersituation möglichst nicht noch einmal durchleben sollten.
»Die Opfer müssen bis zum und im Prozess einen schweren Gang überstehen«, sagte Melanie Rosendahl. Das gelte auch besonders für Migrantinnen, die beim Frauennotruf derzeit auch in den Heimatsprachen Russisch und Türkisch betreut werden können. Im Mädchenhaus hat man in den vergangenen zwei Jahren neue und überraschend gute Erfahrung mit der Online-Beratung für die jungen Klientinnen gemacht. »Das senkt für viele junge Opfer die Hemmschwelle«, resümierte Astrid Schulze Berndt.
Die Idee der Prozessbegleitung hat in Bielefeld einen erfolgreichen Vorläufer, denn schon vor fünf Jahren wurde am Landgericht das Opferschutzzimmer eingerichtet, das sehr stark frequentiert wird. Die Installation einer Zeuginnenbegleitung ebenfalls im Landgericht war dann allerdings an der Finanzierung gescheitert.
Prozessbegleitung bedeutet, die Information über den Ablauf einer Gerichtsverhandlung, Aufklärung über Rechte und Pflichten einer Zeugin, die Besichtigung von Gericht und Gerichtssaal und die Unterstützung am Tag des Prozesses. Dieses Angebot ist kostenlos und freiwillig. Beratung dazu gibt es beim Mädchenhaus unter der Rufnummer 17 30 16 und beim Frauennotruf unter der Rufnummer 12 42 48.

Artikel vom 13.08.2005