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Servierten ihren Gästen Nachtisch aus eigener Herstellung: die fleißigen Küchenhilfen Annelies Böhm (66, links) und Ursula Neumann (74).

»Wir fühlen uns hier
in Ummeln sehr wohl«

Ausländische Gäste bei katholischen Kirchengemeinden

Von Markus Poch und Nora Bax
(Text und Fotos)
Brackwede/Ummeln (WB). Die katholische Gemeinde St. Michael in Ummeln steht Kopf: Im Umfeld des Weltjugendtages sind dort gerade 73 Kanadier und zwei Brasilianer »gelandet«, die untergebracht, verpflegt und unterhalten werden wollen, ehe es am Montag zum großen internationalen Treffen nach Köln geht. Mehr als 100 Helfer hat die Gemeinde dazu mobilisiert, denn die ausländischen Gäste sollen es gut haben in Bielefeld.

Schließlich ist es für die kanadische Gruppe ein Gegenbesuch, der zurück geht auf das Jahr 2002, als die Ummelner Jugend zu Gast beim damaligen Weltjugendtag in Toronto (Kanada) war. »Wir sind alle gesund und fühlen uns hier sehr wohl«, strahlt Franca Lanigan (50), Weltjugendtagskoordinatorin aus der Diözese St. Catharinas bei Toronto. »Das Wetter in Ummeln ist genau so wechselhaft wie bei uns zu Hause, und das Essen hier ist sehr lecker.«
Inmitten des Ausflugsprogrammes mit Bauernhausmuseum, Tierpark Olderdissen, Feuerwache, Evangelischer Stiftung Ummeln und Sparrenburg gab es für alle gestern ein deftiges Mittagessen im Pfarrheim: Gemüseeintopf mit Huhn, gefolgt von leckeren Süßspeisen. »Auf die Verpflegung legen wir großen Wert«, sagt der Ummelner Regional-Vikar Stefan Tausch. »Unsere Gäste kriegen deshalb weder Fastfood noch das klischeebeladene Sauerkraut...«
Genau so aktiv wie die Helfer in St. Michael sind auch diejenigen der Schwestergemeinde Herz-Jesu in Brackwede, denn beide feiern am Sonntag, 14. August, zusammen ein großes Weltjugendtagsfest. Doch unter den engagierten Brackwedern sind auch enttäuschte Gesichter zu sehen, zum Beispiel bei Joachim und Sue Ullrich. Das Ehepaar war auf Weltjugendtagsgäste von den Philippinen vorbereitet (diese Zeitung berichtete am 10. August), die dann aufgrund der umstrittenen Einreisepolitik der Bundesregierung kein Visum bekamen und somit auch nicht anreisen konnten. Joachim Ullrich: »Es ist sehr schade, dass der Terrorismus jetzt schon dafür sorgt, dass auch liebe, nette Leute aus Sicherheitsgründen abgewiesen werden müssen.«
Freude dagegen bei Magdalena Lupascu (27). Sie hat einen Gast für den Weltjugendtag. Die gebürtige Rumänin, seit drei Jahren in Deutschland und an der Brackweder Hauptstraße lebend, hat eine ehemalige Kommilitonin aus Bukarest bei sich aufgenommen - Adriana Benchea (25). Die beiden jungen Frauen kennen sich von der Universität Bukarest, wo sie zusammen Theologie und Rumänisch studierten. Magdalena Lupascu will ihr Studium jetzt an der Bielefelder Universität beenden.
Seit drei Tagen ist ihr Gast jetzt in Brackwede. »Es gefällt mir sehr gut hier. Die Herz-Jesu Gemeinde hat mich mit offenen Armen empfangen und ich habe das Gefühl, dass sich alle sehr über meinen Besuch freuen«, schildert die 25-Jährige ihre ersten Eindrücke.
Bevor es jedoch nach Köln zum Weltjugendtag geht, steht eine Besichtigungstour der Leineweberstadt auf dem Programm. Bei leider nur mäßigem Wetter geht es hinauf zur Sparrenburg. »Ich möchte Adriana Bielefelds Wahrzeichen zeigen«, sagt Magdalena Lupascu, »Ich selbst bin auch immer wieder gerne hier«. Genau wie die 27-Jährige ist auch ihre Besucherin begeistert von der Burganlage. »Es ist alles so alt und wirkt trotzdem gut erhalten. Das ist in Rumänien sehr selten zu finden.«
Und staunend blickt Adriana Benchea von der Sparrenburg auf die Stadt. »Dass Bielefeld so groß ist, habe ich nicht erwartet. Bis jetzt hatte ich eher den Eindruck, sie wäre sehr klein«, sagt sie.
Besonders spannend findet sie die Führung durch die Kasematten der Burg. Ausgiebig erkundet sie den unterirdischen Festsaal, die Küche und den Kerker. »Wieviele Menschen da wohl schon gestorben sind?«, gruseln sich die Freundinnen und sind froh, nicht im Mittelalter, sondern in der heutigen Zeit zu leben.
Denn da haben die beiden noch so einiges vor. »In den nächsten zwei Wochen wollen wir noch Paderborn, Münster, die Externsteine und einige Museen besichtigen, bevor wir nach Köln fahren«, erzählt Magdalena Lupascu. Ein straffes Programm, doch Adriana Benchea, die als Lehrerin für Rumänisch in ihrer Heimat gerade Sommerferien hat, gefällt es. »Nicht jeder aus meiner Heimat hat die Chance nach Deutschland zu kommen«, sagt sie. »Ich habe lange gespart und möchte nun auch viel sehen«.
Doch der Höhepunkt dürfte der Weltjugendtag sein. »Um dort natürlich, den Papst zu sehen. Das ist der Höhepunkt meines Besuchs«, freut sich die derzeitige »Bielefeld-Touristin« schon jetzt auf die Fahrt nach Köln am 20. August.

Artikel vom 13.08.2005