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Die Rente muss noch warten

Franka Dietzsch erfüllt ihr Versprechen - sie startet bei Olympia 2008

Helsinki (dpa). Von Ruhestand wollte Diskus-Veteranin Franka Dietzsch nach ihrem zweiten Weltmeisterschafts-Triumph nach 1999 nichts wissen.

»Ich mache bis zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking weiter - vielleicht auch bis zur WM 2009 in Berlin«, kündigte die 37 Jahre alte Neubrandenburgerin am Freitag an und setzte noch eins drauf: »Am besten motiviert bin ich, wenn der Diskus fliegt.«
In Helsinki segelte er so konstant weit, dass sie mit vier ihrer fünf Würfe Gold gewonnen hätte. »Das ist genial. Ich bin glücklicher als vor sechs Jahren in Sevilla«, freute sie sich über ihre Super- Serie, in der der weiteste Versuch mit 66,56 m gemessen wurde. Dabei hatte sie zunächst ziemlichen Respekt vor dem Regen, nachdem der Endkampf wegen eines Unwetters um zwei Tage verschoben wurde. »Ich habe den ersten Diskus vor Final-Beginn angefasst und gemerkt, das ist er«, berichtete Franka Dietzsch, »und da stand auch noch Nummer eins drauf.«
Vor ihrem zweiten Gold-Coup fühlte sie sich eigentlich eher als degradierte Athletin, nachdem sie bei der WM 2003 und den Olympischen Spielen 2004 jeweils in der Qualifikation rausgeflogen war. »Ich habe zwei Jahre mehr oder weniger verkackt«, bekannte Franka Dietzsch, die daraufhin vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) nur B-Kader-Förderung bekam und im SC Neubrandenburg zum alten Eisen zählte. »Man hat sich mehr oder weniger auf die jungen Sportler gestürzt und mir vorgehalten, ich mache es nur noch zum Spaß«, erzählte die Bankangestellte, die 60 000 Dollar Siegprämie kassierte. Deshalb ist der WM-Gewinn auch ein Sieg über den Frust. »Das war schon etwas Trotz.«
Empört äußerte sich ihr Trainer Dieter Kollark über diese Behandlung. »Die haben uns aussortiert. Franka ist eine der wenigen Athleten, die eine Medaille gewinnen kann. Man sollte solche Sportler nicht in die Ecke stellen«, sagte Kollark, der mit zehn Goldmedaillen nach der Wende der erfolgreichste DLV-Coach ist. »Wenn jemand nicht dem A-Kader angehört, heißt es nicht, das er nicht gefördert wird. Wenn dies zu so einem Erfolg führt, ist das eine positive Begleiterscheinung«, sagte DLV-Sportdirektor Frank Hensel.
Entscheidenderen Anteil an den Höhenflügen der Franka Dietzsch hat aber Kollark, der sie seit 1991 betreut. »Wenn er etwas sagt, hat er immer recht«, sagte sie über ihren Coach. »Ich vertraue ihm blind. Wenn er sagt, dass ich aus dem Fenster springen soll, springe ich.« In dieser Saison habe er es nicht leicht mit ihr gehabt. »Ich war zwischenzeitlich eine ganz schöne Zicke, weil es mich angekotzt hatte, wie es sportlich gelaufen war«, bekannte Dietzsch und fügte an: »Vielleicht wird man im Alter komisch.«
Zum Glück hat sie auch vor dem Finale auf den Rat ihres Trainers, zu dem sie auch nach 14 Jahren Zusammenarbeit noch Sie sagt (»Weil er es möchte«), bedingungslos vertraut. »Wir haben ein Jahr geübt, dass ich den Diskus nicht mehr so flach werfe«, berichtete die Weltmeisterin: »Er hat gesagt, ich solle mich wieder umstellen und den alten Fehler machen.« So flog ihre Scheibe weiter bei Wind und Regen als die der anderen. Dass der Wurf auf 66,56 m nicht ganz so elegant war, scherte sie nicht: »Das Ding hätte auch abstürzen können.«

Artikel vom 13.08.2005