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Ex-Bayer Rau bei Arminia:
der Star, der keiner sein will

In Bielefeld auf der Suche nach Selbstvertrauen und Spaß am Fußball

Von Dirk Schuster
Bielefeld (WB). Tobias Rau weiß selbst noch nicht so genau, wie er sein Engagement bei Arminia Bielefeld einordnen soll. Karriere-Neustart oder Karriere-Fortsetzung? »Ich denke eine Mischung aus beidem.« Rau findet das sowieso zweitrangig. »Viel wichtiger ist, dass ich hier mein Selbstvertrauen wiederfinde, das ich bei Bayern verloren habe.«
Quälen für den Klassenerhalt: Tobias Rau wird auch bei Arminia nichts geschenkt.
Der DSC hat den Linksverteidiger aus seinem laufenden Vertrag herausgekauft. »Noch ein Jahr bei Bayern? Das wäre nicht gegangen. Ich wollte unbedingt weg«, sagt Rau. Was vielen wie die Flucht aus dem Paradies vorkommen mag, begründet er so: »Natürlich ist Bayern der Traumverein für jeden Fußballer. Aber es geht dort härter zu als die meisten denken. Jeden Tag, an dem du das Gefühl hast, nicht gut trainiert zu haben, fürchtest du sofort, beim nächsten Mal nicht zu spielen.«
Rotzfrech habe er gelegentlich sein müssen bei den Bayern. Und egoistisch. Aber weil beides eigentlich gar nicht seinem Naturell entspricht (»Es wäre schade, seinen Charakter zu ändern«), sei er nun froh, dass in Bielefeld alles etwas lockerer zugehe. »Hier merkt man, dass der Teamgeist intakt ist. Im Training wird geredet, man gibt sich gegenseitig Tipps.«
Apropos Training: Von der Glitzerwelt an der Säbener- in die Fast-Isolation an der Hagemann-Straße: Für Rau ein Problem? »Nein, der Glamour bei Bayern hat mir nichts gegeben. Na klar ist es amüsant, wenn man beide Trainingsgelände vergleicht. Aber darum geht es ja gar nicht.«
Rau ist froh, dass ihm Arminia die Möglichkeit bietet, nicht nur sein Selbstvertrauen, sondern auch den abhanden gekommenen Spaß am Fußball wiederzufinden. »Ich bin schon auf einem guten Weg.« Doch noch lange nicht am Ziel.
Und trotzdem weiß Tobias Rau natürlich ganz genau, dass ihn weder der Karriereknick in München noch sein jugendliches Alter - Rau ist erst 23 - vor (viel zu) hohen Erwartungen bewahren kann. Ex-Bayern-Profi und Ex-Nationalspieler - daran wird er gemessen. »Die Erwartungshaltung sowohl vom Verein als auch von den Medien ist auch hier in Bielefeld zu spüren«, gesteht er. Um Nachsicht bittet er aber nicht. Rau nimmt die Herausforderung an. Der neue Arminia-Star, den viele in ihm sehen, will er aber gar nicht sein. Mit seiner zurückhaltenden Art entspricht Rau auch ganz und gar nicht dem Klischee eines solchen. Genau so gut könnte er an der Uni auf Lehramt studieren. Das war nämlich sein ursprünglicher Plan. Stattdessen wurde er Fußballprofi.
Dass dieser Job auch bei einem anderen, ungleich kleineren Klub als Bayern eine große Herausforderung ist, hat Rau schon in seinem ersten Punktspiel deutlich gemerkt. »Wenn nach nicht mal einer halben Minute ein Pressschlag zum 0:1 führt, ist das natürlich ein denkbar schlechter Start. Mein Fehler war Gift fürs ganze Spiel«, denkt er an vergangenen Samstag, an die Partie bei Werder Bremen zurück. Dass hinterher harsche Kritik an der Arminia-Abwehr geübt wurde, »ist doch ganz klar«. Aber für Rau hat auch oder gerade im modernen Fußball der Kollektivgedanke Gültigkeit. »Nicht die Abwehr war schlecht, sondern das Abwehrverhalten der ganzen Mannschaft. Umgekehrt ist es genau so. Wenn's vorne nicht läuft, ist meist nicht eine schwache Offensive schuld, sondern das gesamte Offensivverhalten schlecht.« Dennoch räumt er ein, dass die taktische Abstimmung innerhalb der neu formierten DSC-Deckung noch nicht hundertprozentig funktioniere.
Trotzdem werden für Bielefeld Samstag gegen den Hamburger SV exakt die Vier verteidigen, die in Bremen fünf Gegentore zuließen. Also auch Tobias Rau. Seine Zehenverletzung behindert ihn nicht mehr, der Linksverteidiger kann spielen. Das ist nicht unwichtig für ihn, denn seine Konkurrenten auf links machen gesundheitliche Fortschritte. Rau weiß: »Eine Stammplatzgarantie hat niemand. Auch ich kann mich auf nichts ausruhen.«
Klar hofft Rau heute bei seiner Heimpremiere auf die Hilfe der Bielefelder Fans. Aber er sagt auch: »Unterstützung ist wichtig. Doch dabei geht es nicht um mich, sondern um die Mannschaft.«
Lesen Sie auch den Bericht über Arminias Gegner Hamburger SV auf der Sportseite 2.

Artikel vom 13.08.2005