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Durch Bangkok zu den
Schätzen Südostasiens
Thailands Hauptstadt ist Dreh- und Angelpunkt für Kultur- wie Badereisende
Die Suppenverkäuferin, die am Straßenrand frisches Gemüse, gegrilltes Hähnchenfleisch und Nudeln in einer kochenden Brühe serviert, lächelt verschmitzt, als ich mein Mittagsmahl mit reichlich Chili würze. Auf ein paar Schweißperlen mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an.
Auch wenn in den Luxushotels von Bangkok, wie dem Royal Orchid Sheraton, dem Shangri-La, Hyatt oder gar dem legendären Oriental, exzellente Thai-Küche, umrahmt von folkloristischen Darbietungen, serviert wird, so sollte man keinesfalls auf den schnellen Imbiss zwischendurch verzichten. Denn obwohl Dieselschwaden die Augen reizen, der altersschwache Stuhl ebenso wie der Napf aus Plastik ist und zum Essen nur ein Blechlöffel gereicht wird - besser kann man in den Alltag der Menschen in Thailands kaum eintauchen. Irgendjemand kann immer ein paar Brocken Englisch, und schnell ist man mitten in der Konversation.
Bangkok, die Stadt zwischen Mikrochip und Geisterhäuschen, schreibt der Reiseführer. Das Guinness-Buch der Weltrekorde nennt den korrekten, offiziellen Namen von Bangkok, welches die Thai »Stadt der Engel« nennen: »Krung Thep Mahanakon Amornrattanagosin Mahintara Ayuttayamahadilok Pobnopparatracha Thaniburiram Borom Rajniwaet Mahasathan Amornpiman Awathansathi Sakka Kattiya Wisanukkramprasit« ist in der Tat der umfangreichste Name aller Hauptstädte auf der Erde. Und so chaotisch, wie das klingt, so ist auch die Stadt.
»Bangkok ist heute mehr denn je ein wichtiger Anziehungspunkt für die 400 000 Deutschen, die Thailand jedes Jahr besuchen. Denn von dort aus startet man bequem zu Kulturreisen nach Laos, Kambodscha, Burma und Vietnam, ehe es zum Baden an die Strände von Pattaya, Phuket, Krabi und Samui geht«, sagt Matthias Rotter, Fernreise-Spezialist bei Meier's Weltreisen. Und Asien-Fans, die Bangkok regelmäßig anfliegen, können bestätigen, dass nicht nur hinter den Fassaden High-Tech Einzug gehalten hat, sondern auch die allgemeine Sauberkeit gestiegen ist. Natürlich kommt auf empfindliche Nasen in Thailands Hauptstadt manch unangenehme Belastungsprobe zu, doch das Kanalnetz, welches die Stadt durchzieht, ist in weiten Teilen keine Kloake mehr.
So macht eine Boots-Tour durch die Klongs mittlerweile richtig Spaß. Und deutlich ist nachzuvollziehen, warum solche Wassergrundstücke heute je nach Lage als Privileg gelten, und viel wert sind - man sollte den Reichtum der Bewohner daher nicht nur daran messen, ob ihr Haus möglicherweise »nur« eine Bretterbude ist.
Ein System von Hochstraßen liegt wie ein Spinnennetz über dem Moloch, der möglicherweise mehr als zwölf Millionen Menschen eine Heimat bietet, auch wenn die offizielle Einwohnerzahl bei knapp sieben Millionen liegt. Der anarchistische Verkehr (wenn die Autos denn fahren und sich nicht im Stau vorwärts quälen) zwingt Bangkok-Städtereisende auch trotz einer neu gebauten Schnellbahn in die Fähren, die auf dem Chao Praya-Fluss mühelos große Distanzen überwinden. Dies ist jedenfalls der beste Weg, um vom Hoteldistrikt nahe des Bahnhofs ins Zentrum der Stadt zu gelangen. Innerhalb des Rings, den Fluss und Banglumphu-Klong bilden, kann man sich dann zu Fuß fortbewegen.
Neben dem Kloster Wat Po und dem weithin sichtbaren Wat Arun sind es vor allen Dingen der Vimanmek-Palast und der Chakri-Palast, die die Besucher begeistern. Ist ersterer heute ein Museum, der höfisches Leben in vergangenen Jahrzehnten präsentiert, so hat der »Große Palast« im Stadtzentrum eine Doppelfunktion. Zum einen dient er König Bhumiphol Adulyadej als Repräsentations-Domizil, des weiteren befindet sich innerhalb der Palastmauern Thailands schönste Tempelanlage, die das Kloster Wat Phra Kaeo bildet.
Mönche haben dort allerdings nie gelebt, denn die von 1782 bis 1784 erbaute Anlage dient ausschließlich dem König für buddhistische Zeremonien. So ist es auch die vornehmste Aufgabe des Monarchen, trotz seines vorgerückten Alters noch höchstpersönlich drei Mal pro Jahr das güldene Gewand des Smaragdbuddhas zu wechseln.
Dieses bedeutendste Heiligtum Thailands stammt ursprünglich aus Chiang Rai, war aber auch einige Jahre im Gebiet des heutigen Staates Laos aufgestellt, wurde nach einem Feldzug gegen die Stadt Vientiane von König Rama I. nach Thailand zurück geholt - und ist nun Zentrum der Verehrung in Bangkok. Die Bezeichnung Smaragdbuddha ist irreführend, denn die Figur ist nicht aus Edelsteinen, sondern in Wirklichkeit aus einem einzigen Block Jade gefertigt. Strenge Wächter weisen gnadenlos jeden zurück, der eine Videokamera mitführt oder in nicht geziemender Kleidung um Einlass bittet.
Man sollte sich nicht vom Rummel der Busse vor dem Haupteingang abschrecken lassen - viele haben keine ausländischen Touristen gebracht, sondern Thais aus allen Landesteilen, die im Angesicht des Smaragdbuddhas beten wollen. Im Tempel des Heiligtums muss man sich still auf den Boden setzen und darauf achten, die Fußsohlen nicht zum Buddha auszurichten. Das gilt in Thailand allgemein schon als unfein - im Wat Phra Kaeo wäre es allerdings ein übler Fauxpas.
Nach dem Besuch im Ubosoth, dem Tempel des Heiligtums, geht man auf die benachbarte obere Terrasse, auf der ein goldstrotzender Chedi im Sonnenlicht blitzt. Daneben befindet sich die Bibliothek Phra Mondop mit ihren Palmblattschriften und das königliche Pantheon mit Statuen aller Regenten der Chakri-Dynastie. Das Miniaturmodell des Großen Klosters (»Angkor Wat«) im heutigen Kambodscha zeigt deutlich, wie unterschiedlich Thai und Khmer heute die Geschichte Südostasiens interpretieren. Und weil Thailand heute wirtschaftlich weitaus stärker ist als seine Nachbarn, sehen die Bewohner der Anrainerstaaten das Königreich mit eher gemischten Gefühlen. Für den Besuch des Wat Phra Kaeo und des benachbarten Wat Po muss man einen ganzen Tag einplanen, um die einzigartige Schönheit der überreich geschmückten Tempel, Pagoden, Stupas und Chedis genießen zu können. Thomas Albertsen

Artikel vom 20.08.2005