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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jakobs


Brasilianische Jugendliche beim Abpacken von Kartoffeln für eine Nahrungsmittelausgabe in einer deutschen Pfarrgemeinde - Gespräche mit Händen und Füßen - eine eigentümliche innere Sammlung, wenn Menschen zusammen beten, obwohl sie die gesprochenen Worte größtenteils nicht verstehen - einfach Zeit miteinander zubringen müssen É
Wenn ich die folgenden Erfahrungen zur Papier bringe, dann wird sich jede Leserin und jeder Leser bewusst sein, dass wesentlich direktere Eindrücke aus dem Mund von Jugendlichen selbst kämen. Denn es geht um den Weltjugendtag. Ich selbst bin kein Jugendlicher mehr, andere müssten viel eher aus ihrer eigenen Sicht schreiben - sie werden es hoffentlich an anderer Stelle tun. Und die Erfahrungen eines einzelnen sind auch völlig ausschnitthaft. Aber aus solchen kleinen Lebensschnipseln setzt sich trotzdem das Bild dieser großartigen Erfahrung zu-sammen.
Ich möchte vom Weltjugendtag erzählen, der nun vor knapp einer Woche begonnen hat. Denn auch wenn es immer wieder unglücklich vereinfacht wird: Hunderttausende Jugendliche kommen natürlich nicht nach Deutschland, um einmal den neuen Papst zu sehen. Sondern dieser neue Papst - wie auch dessen gerade am Ende seines Lebens von Jugendlichen besonders bewunderter Vorgänger - ist nur Teil einer großen weltumspannenden Kirche. Und gerade die jungendlichen Glieder dieser Kirche sind bereit, um des Glaubens willen Wege und Mühen auf sich zu nehmen, die in den »gesetzteren« Kreisen eher als unverhältnismäßig in der Kosten-/Nutzenrechnung angesehen würden. Aber was kommt denn wirklich dabei heraus?
Seit zwei Jahren nun sind in den meisten Pfarreien Jugendliche beschäftigt, sich auf ihre religiöse Gastgeberrolle vorzubereiten. Denn der Weltjugendtag findet zuerst für eine knappe Woche in jeder deutschen katholischen Pfarrei statt, danach erst für die abschließende zweite Woche trifft man sich in Köln und Umgebung.
Solche Jugendliche haben sicherlich erst einmal ihre eigene Gemeinde besser kennen gelernt als zuvor: Gastfamilien suchen, Aktionen starten um Geld zu sammeln, soziale Projekte vorbereiten, Besuchsprogramme entwerfen, Kooperationen mit anderen Gemeinden beginnen, Anrufe und E-Mails mit anderen Kontinenten, internationale Lieder einüben, Gebete vorbereitenÉ Vermutlich stehen die meisten der Vorbereitenden lebendiger in ihrer Kirche und kennen mehr engagierte Christen in der Nähe, als der Durchschnitt der christlichen Bevölkerung.
Was erlebt dann ein einzelner Mensch, wenn die Gäste da sind? Schon am Flughafen beginnt das große Vertrauen: ein Schild, um die Gäste zu identifizieren, reicht aus, dass sich wildfremde Personen von einem anderen Kontinent mir anvertrauen. Angekommen in der Gastfamilie haben die meisten Gasteltern irgendwelche Übersetzer und Freunde eingeladen - um die Tische entsteht etwas Ursprüngliches von Kirche als Hauskirche. Wenn man dann zum Essen oder vor der Verabschiedung betet, ist der gemeinsame Geist und die Ausrichtung auf den einen Vater der Menschheitsfamilie - Gott - mit Händen zu greifen.
Und erst der Blick auf die »eigenen« Leute: plötzlich werden manche von denen ungeheuer wichtig, die vorher seit Jahren als Ausländer fast etwas am Rand standen.
Denn sie können genau diese benötigten Sprachen, sie sind Vermittler zwischen den Welten, sie erschließen mit ihrer Übersetzungskunst den ganzen Reichtum der Eindrücke. Und einer von denen, der davon vorher nie gesprochen hatte, berichtet mitten im größten Trubel von den prägenden religiösen Erfahrungen seiner Kindheit in einem anderen Kontinent, die ihn auch in der Fremde bis heute tragen.
Wenn dann einer der Gäste kurz vor Mitternacht beim Licht der Kerze erzählt, wie der Besuch des verstorbenen Papstes in Brasilien damals sein Leben veränderte und er sich für ein Leben im Orden entschied, dann weiß man, woher die dichte Atmosphäre in den nur scheinbar oberflächlichen Gesprächen kommt.
Und schließlich haben wir vermeintlich starken deutschen Organisatoren vermutlich selten wie jetzt so viele Programmpunkte umgeschmissen und doch berührende Begegnungen erlebt. Der Geist Gottes erreicht seine Ziele offensichtlich recht gerne neben dem geplanten Programm her. Möge er auch noch die kommenden Tage mächtig sein.

Artikel vom 13.08.2005