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»War definitiv ein Regelverstoß«

DLV contra IAAF in »Infusions-Affäre« - Niklaus gegen weitere Schritte

Helsinki (dpa). Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat die Behandlung der »Infusions-Affäre« durch den Weltverband IAAF kritisiert.

»Das war definitiv ein Regelverstoß, der zur Disqualifikation hätte führen müssen«, erklärte DLV-Präsident Clemens Prokop zum niedergeschlagenen Fall der beiden tschechischen Zehnkämpfer Roman Sebrle und Tomás Dvorak. Der DLV will aber auf eine mögliche Anrufung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) verzichten, obwohl der Berliner André Niklaus als WM-Vierter davon profitieren könnte. »Für die Bewertung der Leistung von Niklaus spielt das keine Rolle. Zudem wollte der Athlet nicht, dass wir Schritte einleiten.«
Mit Unverständnis reagierte auch DLV-Sportdirektor Frank Hensel auf die Vorgehensweise der IAAF: »Das ist ein Witz. Uns geht es nicht um eine Disqualifikation, sondern darum, dass das richtig eingeordnet wird.« Für den Leitenden deutschen Mannschaftsarzt Dr. Uwe Wegner ist die Behandlung von Athleten während des Wettkampfes rechtlich nicht haltbar. »Das ist einfach falsch. Sie haben ihre Regeln torpediert«, sagte der Orthopäde.
Die IAAF hatte die »medizinische Unterstützung« von Vizeweltmeister Sebrle und Dvorak am vergangenen Mittwoch vor dem 1500-Meter-Lauf mit jeweils 20 Milliliter Traubenzucker-Lösung als zulässig eingestuft. Dabei beruft sich die IAAF auf ihre Wettkampfregel 144. »Es gab keinen Regelbruch«, erklärte IAAF-Sprecher Nick Davies nach einer Council-Sitzung. Außerdem wurde bekannt gegeben, dass die nach dem 1500-Meter-Lauf vorgenommen Doping-Tests von Sebrle und Dvorak negativ ausgefallen sind. »Einen Hinweis auf eine Manipulation gibt es nicht«, hieß es in einer IAAF-Mitteilung. Auch ein bei Olympiasieger Sebrle veranlasster Bluttest zeigte keine Auffälligkeiten.
Nach Ansicht von Wegner ist durch die Regel 144 nur die Hilfe eines Arztes bei akuten Fällen erlaubt. »Damit sind ärztliche Behandlungen wie das Einrenken von Knochen, das Nähen von Risswunden oder die Gabe eines Schmerzmittels bei verstauchten Fingern gemeint«, erklärte er. Infusionen hingegen seien nach Regel 32 (Verstöße gegen die Antidoping-Regeln) davon ausgeschlossen und seit Anfang 2005 verboten: »Man kann doch nicht einfach eine andere Regel außer Kraft setzen. Infusionen sind verboten, egal, was drin ist.«
Die beiden tschechischen Athleten - Olympiasieger Sebrle gewann WM-Silber, der dreimalige Weltmeister Dvorak wurde Achter - hätten durch die Glucose-Zufuhr jedoch keinen Vorteil gehabt. »Das ist wie am Lolli lutschen«, meinte Wegner. Auch deutsche Leichtathleten hätten ähnliche Infusionen und Substitutionen während großer Wettkämpfe erhalten. »Wir haben das auch gemacht, doch jetzt ist es verboten«, so Wegner. Nach seiner Ansicht hätten nicht die Sportler, aber die handelnden Personen bestraft werden müssen.

Artikel vom 15.08.2005