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Ein Genie mit Glanz und
viel Glamour

Alle lieben Jelena Isinbajewa

Helsinki (dpa). Mit ihrem Weltrekord-Sprung und ihrer Siegesshow hat Stabartistin Jelena Isinbajewa der Leichtathletik-WM in Helsinki doch noch etwas Glanz verliehen.

Für die 23-Jährige aus Wolgograd war es der größte Zahltag ihrer Karriere, und die IAAF tat alles, um daraus ein glamouröses Event zu machen. Der große Sergej Bubka umarmte vor Kameras sein weibliches Pendant. Weltverbandspräsident Lamine Diack eilte bei der Pressekonferenz herbei, wo blitzschnell Stellwände mit Weltrekord-Aufschrift aufgebaut worden waren. Isinbajewa wurde eine Art goldener Latz ans Trikot geheftet, und die hübsche Russin strahlte: »Ich bin extrem glücklich und zufrieden.«
60 000 Dollar für das WM-Gold und 100 000 für den Weltrekord konnte Isinbajewa verbuchen. Damit stockte sie das Preisgeld ihrer Karriere auf etwa 900 000 Dollar auf. Bei der Siegerehrung am Samstag nahm sie einen überdimensionalen Scheck entgegen. Die kühlen Finnen feierten sie wie keine andere Weltmeisterin. Und Fürst Albert von Monaco küsste die Vorzeigeathletin der WM gleich zwei Mal.
Drei Wochen nach ihrem spektakulären ersten 5,00-Meter-Sprung in London legte Isinbajewa noch einen Zentimeter nach. Mit ihrem 18. Freiluft-und Hallen-Weltrekord rückte sie ihrem Ziel, die 35 Bestmarken ihres Idols und Freundes Bubka zu übertrumpfen, wieder ein Stück näher. »Sie hat etwas von einem Genie«, sagte der Ukrainer. »Und sie hat eine bessere Technik als viele Männer in dieser Disziplin.«
Isinbajewa stellte auch eine Bestleistung auf, was den Abstand zur Konkurrenz betraf: Die Polin Monika Pyrek sprang als Zweite mit 4,60 Meter in einer anderen Kategorie. Etwas ähnliches gelang zuletzt dem Amerikaner Frank Foss, als er 1920 in Antwerpen mit 39 Zentimeter Vorsprung Olympiasieger wurde.
Isinbajewa will in diesem Jahr noch fünf Wettkämpfe bestreiten und dabei ebenso viele Weltrekorde aufstellen. Ein Kinderspiel sei das allerdings nicht. »Heute Abend kam mir die Weltrekordhöhe extrem hoch vor. Es war wirklich schwer, diese Höhe zu springen«, sagte die Olympiasiegerin.
Noch weiß niemand, wo Isinbajewas Grenzen liegen. »Sie ist technisch so gut wie Sergej Bubka«, sagte Pyrek. Die WM-Dritte Pavla Hamackova aus Tschechien erzählte, ihr Trainer habe anhand von biomechanischen Daten ausgerechnet, dass die Weltmeisterin mit härteren Stäben mindestens 5,20 Meter überwinden könne. »Vielen Dank», sagte Isinbajewa ohne Häme. »Ich wünsche dir, dass du bald 4,80 springen kannst.«
Bubka traut der früheren Turnerin zu, dass sie den Abstand zwischen dem Frauen- und Männer-Weltrekord (6,14 im Freien/6,15 in der Halle) auf einen Meter verringert. Die Leichtigkeit, mit der Isinbajewa über die Latte fliegt, verblüfft alle. Auf der Tribüne im Olympiastadion saß die im Vorkampf gescheiterte Ex-Weltrekordlerin Stacy Dragila (USA) und nahm mit einer digitalen Kamera den Wettkampf auf.

Artikel vom 15.08.2005