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Merkel mal privat - Schröder im Lichte von Putin und Chirac

ZDF zeigt Exklusives von der Kandidatin und große Gesten des Kanzlers

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Sie sagt, warum sie keine Kinder hat, und spricht über ihre Mitgliedschaft in der FDJ: Das erste ausführliche TV-Porträt von Angela Merkel am 16. August im ZDF hat das Zeug zum Highlight der Vorwahlberichterstattung.
Selbst bei der Vorbereitung der wichtigen Rede zum Misstrauensvotum war die ZDF-Kamera dabei.
Merkel gestern bei »Berlin Mitte«, Edmund Stoiber im Sommerinterview am Sonntag: Die heiße Phase der Wahlsendungen hat begonnen. Allein das ZDF plant bis zum 18. September 24 Stunden Sondersendungen.
»Sie oder er im Kanzleramt?«, fragt der ZDF-Zweiteiler und tut am 23. August so - im Gegensatz zur aktuellen DebatteƊ-, als wenn Gerhard Schröder wirklich noch als Person zur Wahl stünde. Bei Merkel lautet die nicht minder diskussionswürdige These im Untertitel »Jetzt oder nie«. Bei Schröder heißt das immerhin: »Wer nicht kämpft, hat schon verloren«.
»Uns ist einiges an exklusivem Material gelungen«, sagte Hauptredaktionsleiterin Bettina Schausten gestern bei der Vorstellung des Merkel-Porträts. In der Tat: Die CDU-Chefin führt die Autoren Michaela Kolster und Ulf-Jensen Röller in die Ückermark an Plätze ihrer Kindheit lässt sich Privates fragen: Wie sie ihre Rolle als Stiefmutter verstehe und wie sie die sattsam bekannten Mädchen-Bilder aus ihrer politischen Anfangszeit selbst sieht. »Ich hadere nicht damit«, sagt sie dazu, dass »der Verlauf des Lebens« ihr keine eigenen Kinder ermöglichte, und klingt grundehrlich dabei.
Merkels Weg nach oben wird ebenso intim wie direkt von Horst Seehofer (»Sie ist schon sehr konsequent«), dem letzten Fischer von Rügen (»ein Funken Hoffnung für den kleinen Mann«) sowie Alice Schwarzer und einer wohlgesonnenen Biografin (»kein hammerhartes Alpha-Tier«) in Zitaten und historischen Bildern umgesetzt.
Ganz anders das Schröder-Porträt: Der Familienmensch mit Frau, Töchtern, Hund und Bodyguards daheim an der Leine bleibt das einzig Private. »Seine Jugend in Lippe und seine Zeit als Fußballer haben wir schon 2002 ausführlich gezeigt«, erklärt »Blickpunkt«-Chef Stefan Raue die Konzentration auf den Kanzler der letzten drei Jahre. Herausgekommen ist dabei das bekannte Bild eines Mann mit einem dreimal so großen Büro wie Angela Merkel, eines Machtmenschen, der auch als Dargestellter Regie vor stets Dutzenden von Fotografen und Kamera-Leuten führt. »Das ist auch ein Stück Verdrängen,« sagt Schröder offen dazu, dass er jeden Gedanken an die vielleicht letzten sieben Wochen seiner sieben Jahre im Amt meidet.
Die Autoren Anke Becker-Wenzel und Peter Frey zeigen Schröder auf dem Weg zur Abstimmung über das bestellte Misstrauen und zum Bundespräsidenten. Sie lassen die Alt-Genossen Hans-Jochen Vogel, Erhard Eppler und Peter Glotz sprechen. Vor allem aber bringen sie Staatsmänner ins Spiel. Die Schröder-Freunde Jacques Chirac und Wladimir Putin gewähren den ZDF-Leuten Exklusiv-Interviews. Auch gibt es Schröder im Bild mit Tony Blair und George W. Bush. Ähnliches Material von Merkel blieb im ZDF-Archiv ungenutzt liegen.
Grenzen dessen, was gezeigt werden durfte, so beteuern die Autoren unisono, gab es fast nicht - außer den sattsam bekannten: Die zwei Mädchen der Schröders sollen nicht mit vollem Gesicht gezeigt werden, und Angela Merkels Familie steht für Interviews per se nicht zur Verfügung.
Ulf-Jensen Röller hat es trotzdem versucht und festgestellt: Mehr als Angela Merkel bestehen Ehemann Jochen Sauer und seine beiden Söhne auf strikter Medien-Abstinenz. Immerhin: Stiefsohn Daniel ist ambitionierter Fotograf und hätte über seine Bilder gesprochen. Zwei davon hängen im Berliner Büro der Kanzlerkandidatin. »Die Fotos zeigen schon sein Talent«, spricht Merkel in einer Szene und zeigt - siehe da - Familienstolz

Artikel vom 12.08.2005