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Angst vor der Schlammwüste

Open-Air-Festival in Stemwede fehlen die Einnahmen aus Vorverkauf

Von Dietmar Kemper
Bielefeld/Stemwede (WB). »Letztes Jahr sind wir komplett abgesoffen«, erinnert sich Lars Schulz mit Schaudern. Das Gelände sei die reinste »Schlammwüste« gewesen, hat der Organisator des »Umsonst und Draußen-Festivals« in Vlotho noch die Bilder vor Augen.

2004 fiel die Veranstaltung buchstäblich ins Wasser. Die Absage einen Tag vor Festivalbeginn brockte den ehrenamtlichen Organisatoren 20 000 Euro Schulden ein. Zum Glück konnten die mittlerweile halbiert werden. Bei der Auflage 2005 am 30. Juli im Hafen Vlotho waren die Bands in der Lage aufzutreten, nachdem die Feuerwehr Wasser abgepumpt hatte, von dem am Tag zuvor reichlich aus den Wolken niedergeprasselt war. »Das Wetter ist das größte Risiko«, weiß Lars Schulz. Weil bei den »Umsonst und Draußen«-Festivals kein Eintritt verlangt und logischerweise keine Karte im Vorverkauf angeboten werde, finanziere sich die Veranstaltung durch den Absatz von Getränken und Speisen. Dauerregen schrecke Besucher ab.
Kommerzielle Konzertveranstalter wie Hans Stratmann aus Bielefeld haben es da besser. Sie setzen die Karten im Vorverkauf ab. Stratmann organisierte den Auftritt von Elton John am 10. Juli in der Schüco-Arena. »Der wirtschaftliche Erfolg hängt nicht von Regen ab«, sagte er gestern dieser Zeitung. Der Besuch eines Rock- und Pop-Festivals werde als eine Art Kurzurlaub lange vorher geplant: »Die Leute verabreden sich mit Freunden, feiern und zelten.«
Hinzu kommt die Eigendynamik der Ticketpreise: Bei Kosten für eine Karte von bis zu 100 Euro überlegt es sich ein Fan gut, ob er das Geld wegen ungünstiger Wetteraussichten verloren gibt. Kapriolen seien nun man nicht auszuschließen, sagt Hans Stratmann und erinnert sich an den 20. August 1994: »Als Bon Jovi auf Kanzlers Weide in Minden auftrat, war es zehn Grad kalt. Sanitäter schenkten Glühwein und Tee aus.«
Mit großem Interesse lauscht die Vorsitzende des Vereins JFK (Jugend, Freizeit und Kultur in Stemwede), Annette Engelmann, in diesen Tagen dem Quaken der Wetterfrösche. Am Freitag und Samstag, 19. und 20. August, soll im Illweder Wäldchen das größte Rockfestival in Ostwestfalen-Lippe über die Bühne gehen. Bis zu 30 000 Fans werden zu den Konzerten von Bands wie Robocop Kraus, Vitamin X, Elke oder Predator erwartet. 50 000 Euro an Fixkosten hat der gemeinnützige Verein zu schultern. Weil es sich wie in Vlotho um ein »Umsonst und Draußen«-Festival handelt, kommen im Gegenzug keine Eintrittsgelder rein.
»Wenn es nur nieselt, kommen 80 Prozent der Besucher, aber wenn es schüttet, wird es kritisch«, sagte Annette Engelmann gestern. Problematisch seien der Bereich vor einer der beiden Bühnen, die auf einer schnell matschig werdenden Wiese stehe, und der Acker als Parkfläche. Engelmann: »Bei heftigem Regen fahren sich die Autos im Morast fest. Einige standen schon drei Tage dort und konnten erst fortbewegt werden, nachdem das Feld abgetrocknet war.« Den Gedanken, Tickets anzubieten, habe der Verein wieder verworfen. »Dann müssten wir im Gegenzug den Verkauf organisieren, das Gelände abzäunen und Security anheuern«. Vor zwei Jahren hatten die Organisatoren zuviel Sonne. Ehe die Feuerwehr die Verantwortung für den Brandschutz übernahm, mussten die Helfer zehntausende Liter Wasser in den Wald fahren und sicher stellen, dass die Besucher nicht rauchten und grillten. 2005 kümmern sich 287 Männer und Frauen ehrenamtlich um die Abwicklung des Festivals. Schon die allein hätten kein schlechtes Wetter verdient, meint Engelmann.

Artikel vom 12.08.2005