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Stoiber steht im Kreuzfeuer

Umstrittene Äußerungen des CSU-Chefs über den Osten Deutschlands

Berlin (Reuters). CSU-Chef Edmund Stoiber hat mit Äußerungen über die Wähler in den neuen Ländern massive Kritik aus allen politischen Lagern auf sich gezogen. Experten erwarten nach Stoibers Äußerungen Einbußen für die CDU im Osten.
CSU-Chef Edmund Stoiber

Stoiber hatte in der vergangenen Woche im Wahlkampf mit Blick auf die im Osten starke Linkspartei gesagt, er »akzeptiere nicht, dass letzten Endes erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird«. »Es dürfe nicht sein, dass wieder die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen«, hatte Stoiber gesagt. Am Mittwoch verwies Stoiber bei einer Kundgebung auf »Defizite in Sachsen und Sachsen-Anhalt« und betonte: »Wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern.«
Der Chef der brandenburgischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Stübgen, nannte Stoiber einen Wahlkampfhelfer für die Linkspartei, der die Chancen der Union gefährde. Stoibers früherer Wahlkampfmanager Michael Spreng sprach von einem schweren taktischen Fehler.
In der CDU-Spitze wurde darauf verwiesen, dass Stoiber nicht zum ersten Mal mit einem Alleingang für Aufsehen sorgt. Mit Verwunderung wird dort sein Verhalten der vergangenen Wochen verfolgt, in denen er sich mehrfach über die Vorgaben von Unions-Kanzlerkandidatin Merkel hinweg gesetzt hatte und Zielwerte für den Abbau der Arbeitslosigkeit sowie Mitglieder des Wahlkampfteams genannt hatte, das Merkel erst nächste Woche vorstellen will.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte von Merkel ein Machtwort. »Offensichtlich gibt es viele führende CDU-Politiker, die Ostdeutsche nicht verstehen, die sie verachten, die Ostdeutschen«, sagte er. Bundeskanzler Gerhard Schröder warf Stoiber vor, dem Einheitsprozess massiv geschadet und die Ostdeutschen beleidigt zu haben. Grünen-Spitzenkandidat Joschka Fischer forderte von Stoiber eine Entschuldigung. Bodo Ramelow, Wahlkampf-Manager der Linkspartei, sagte: »Ich kann mich nur freuen über so viele Wahlhelfer.«
In einer gestern veröffentlichten Emnid-Umfrage, die vor Bekanntwerden von Stoibers Aussagen geführt wurde, verlor die Union deutlich und käme nur noch auf 41 Prozent (-2). Die SPD erhielte 28 Prozent (+2) und die Linkspartei 12 Prozent (-1). Die Grünen blieben bei 8 Prozent, die FDP käme ebenfalls auf 8 Prozent (+1).
In einer Blitzumfrage des ARD-Deutschland-Trends waren gestern 73 Prozent der Befragten der Auffassung, dass Stoiber mit seinen Äußerungen die ostdeutschen Wähler beleidigt. 83 Prozent glauben, dass er damit dem Wahlkampf der Union schadet. Nur ein Viertel der Befragten stimmt seinen Aussagen zu, 71 Prozent lehnen sie ab.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 12.08.2005