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Familie kassiert illegal
40 000 Euro Kindergeld

In diesem Jahr schon 1102 Strafverfahren eingeleitet

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Eine Bielefelder Familie, die vor mehr als zehn Jahren nach Spanien ausgewandert war, hat elfeinhalb Jahre lang illegal Kindergeld kassiert. Das Amtsgericht Bielefeld verurteilte die Mutter zu einer Geldbuße von 3750 Euro, außerdem muss die Familie 35 113 Euro zurückzahlen.

»Dieser Leistungsmissbrauch ist kein Einzelfall«, sagt Cord Schäpsmeyer von der Bußgeldstelle der Familienkasse in Bielefeld, die für die Arbeitsamtsbezirke Herford, Lippe, Paderborn, Bielefeld, Münster, Ahlen, Meschede, Soest und Rheine zuständig ist. 1102 Strafverfahren hat die Bußgeldstelle bereits in den ersten sechs Monaten dieses Jahres eingeleitet, 1962 waren es im gesamten Jahr 2004.
Jeweils 154 Euro zahlt der Staat Eltern pro Monat für die ersten beiden Kinder, für jedes weitere gibt es 179 Euro. Aber nur, wenn die Kinder in Deutschland leben und ihr Einkommen (etwa im Falle einer Ausbildung) nicht höher als 7680 Euro pro Jahr ist.
»Und dabei versucht mancher zu tricksen«, erklärt Cord Schäpsmeyer und berichtet von einem Vater, dessen Tochter mit ihrem Einkommen knapp über der Bemessungsgrenze lag: »Da hat der Mann eine Rechnung über seine Lesebrille so verändert, dass dort der Name der Tochter stand.« Mit dem gefälschten Schriftstück wollte der Vater höhere Werbungskosten für sein Kind geltend machen, um so wieder unter die Bemessungsgrenze zu rutschen. Der Sachbearbeiter der Familienkasse wunderte sich jedoch, dass eine so junge Frau schon eine Lesebrille brauchte. Er fragte beim Optiker nach und deckte den Betrug auf.
Häufiger sind Fälle, in denen Ausländer ihre Kinder in die Heimat schicken, sich aber hier das Kindergeld auszahlen lassen. So lebte das Kind eines Herforder Ehepaares bereits seit mehr als sieben Jahren bei seinen Großeltern in Polen, bevor der illegale Kindergeldbezug von 11 545 Euro gestoppt werden konnte. Ein türkisches Ehepaar aus Bielefeld kassierte sogar 40 000 Euro, während die Kinder seit acht Jahren in der Türkei wohnten.
Eltern, die auf diese Art den Staat betrügen, wird es offenbar recht einfach gemacht. Denn nach den Erfahrungen der Bielefelder Bußgeldstelle bemerken es längst nicht alle Stadtverwaltungen, wenn Kinder, die bei ihnen gemeldet sind, nicht eingeschult werden - weil sie längst im Ausland leben. »Da rutschen immer wieder welche durchs Netz. Klappte dieser Datenabgleich besser, könnte die Familienkasse manche unberechtigte Zahlung viel eher einstellen«, sagt Cord Schäpsmeyer. Er und seine Kollegen haben in den ersten sechs Monaten des Jahres bereits Kindergeld-Überzahlungen von 1,3 Millionen Euro festgestellt. Sie haben Strafbefehle über mehr als 35 000 Euro verschickt oder nicht so gravierende Fälle gegen Zahlungen von insgesamt 26 000 Euro eingestellt.
Vor Gericht endete der Fall des Bielefelder Ehepaares, das mit seinen zwei Kindern nach Spanien ausgewandert war, wo sich der Mann als Autoverleiher selbständig gemacht hatte.
Gegenüber der Familienkasse hatte das Ehepaar die Anschrift von Verwandten in Bielefeld als Wohnadresse angegeben, und als 1994 in Spanien das dritte Kind geboren wurde, meldeten die Eltern auch dieses unter der »Tarnanschrift« an.
Obwohl die drei Kinder naturgemäß keine Bielefelder Schule besuchten, fiel der Leistungsmissbrauch erst durch einen anonymen Brief aus Spanien auf: Ein dort lebender Deutscher informierte die Behörden, dass die Familie Kindergeld bezieht, obwohl sie in Spanien lebt. Als die Ehefrau zu einem Verwandtenbesuch nach Bielefeld reiste, wurde sie vor Gericht gestellt und verurteilt.

Artikel vom 12.08.2005