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Bauern bangen um ihre Ernte

Getreide zu nass - Qualität leidet

Paderborn/Bielefeld (WB/ef/dpa). Der anhaltende Regen droht den Bauern in weiten Teilen Deutschlands die Getreideernte zu verderben. Die halbe Ernte stehe noch im Regen, beklagte der Deutsche Bauernverband gestern. »Wenn es weiterhin so nass bleibt, vergammelt das Getreide«, befürchtet Dirk Höke, Pflanzenberater für Ostwestfalen-Lippe.

Zermürbt vom Dauerregen fragt sich mancher Bauer, wie er seine Getreideernte unter Dach und Fach bringen soll. Weizen, Roggen, Triticale und Hafer sind längst reif, können aber nicht geerntet werden, weil Boden und Pflanzen viel zu nass sind.
Lediglich Gerste und zum größten Teil auch Raps konnten bis jetzt eingefahren werden, sagt Höke. »In den höher gelegenen Regionen der Kreise Paderborn und Höxter stehen noch etwa zehn bis 15 Prozent Raps auf den Feldern.« In den Kreisen Minden-Lübbecke und Bielefeld seien dagegen bereits etwa 95 Prozent Raps geerntet worden.
Größtes Sorgenkind der Landwirte sei die seit zwei Wochen fällige Ernte des Getreides. Durch die anhaltend feuchte Witterung muss dort mittlerweile mit Auswuchs gerechnet werden. Das bedeutet, dass das Getreide auf dem Halm keimt. Aber auch dort, wo noch nichts zu sehen ist, schadet die beginnende Keimung der Qualität des Getreides, da Stärke in Zucker umgewandelt wird. »Jeder weitere Tag Regen droht den Ertrag und vor allem die Qualität zu senken«, sagt Höke. Am deutlichsten werde das beim Weizen, der wichtigsten Getreideart: Die Ähren färbten sich dunkel.
Wie groß die Ernteverluste sein werden, lasse sich erst in einigen Wochen endgültig abschätzen. Entscheidend sei der weitere Witterungsverlauf. Die Sonne müsste zunächst das Getreide und dann auch die Böden trocknen, damit die Landwirte mit den Mähdreschern auf die Felder fahren können. Das könne drei bis fünf Tage dauern. Würden sie jetzt versuchen, die Felder abzuernten - also auch zu dreschen - bekämen die Bauern statt der gewünschten festen Körner wohl nur Mus. Daran könnte auch die moderne Landwirtschaftstechnik nichts ändern.
Falls das Wetter noch weitere 14 Tage so nass bleibt wie bisher, »sieht es böse aus«, sagt Höke. Die Landwirte - in Ostwestfalen-Lippe sind es etwa 18000 - müssten insbesondere beim Weizen und Roggen mit Ertragseinbußen von 20 bis 30 Prozent rechnen, schätzt der Pflanzenberater.
Denn aufgrund der jetzt schon gesunkenen Qualität dürften Weizen und Roggen wohl nicht mehr für Brotgetreide brauchbar sein. Stattdessen, so vermutet Höke, muss es wohl als Futtergetreide für sieben bis acht Euro pro 100 Kilogramm verkauft werden. Das Überangebot in diesem Bereich dürfte den Preis weiter drücken, schätzt Höke. Der Erlös beim Brotgetreide liege dagegen bei zehn bis elf Euro pro 100 Kilogramm. Dass Landwirte häufig über das Wetter klagen, weiß auch Höke. Aber er versichert: »So viel Regen in der Haupterntezeit - das gab es seit Jahren nicht.«
Unterdessen ist die Ernte der Wintergerste abgeschlossen. Die Bauern rechnen mit Ertragseinbußen von einem Zehntel. Bei Kartoffeln gehen die Landwirte nach einem schlechteren Start der Frühkartoffeln für die zweite Jahreshälfte von festeren Preisen aus.

Artikel vom 11.08.2005