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Sorgerechtsstreit: Sohn
nach Rußland entführt

Schöffengericht verhängt Bewährungsstrafe

Bielefeld (uko). Weil er Streit mit seiner Frau über das Sorgerecht des gemeinsamen Sohnes hatte, hat ein Rußlanddeutscher seinen Filius in sein früheres Heimatland entführt. Jetzt hat das Amtsgericht den Mann zu 15 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Als Auflage muß der Entführer 100 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.

Eigentlich hatte Walerij V. mit der von ihm getrennt lebenden Ehefrau das gemeinsame Sorgerecht für den vierjährigen Sohn Witalij (alle Namen geändert). Im August 2004 kam es jedoch zum Streit der Eheleute über die Besuchsvereinbarungen. Kurzerhand disponierte der 41-jährige Vater den Wochenendaufenthalt des Steppkes um: Am 21. August 2004 bestiegen Vater und Sohn in Hannover ein Flugzeug in Richtung Rußland. Von dort aus reiste Walerij V. mit Witalij in die Stadt Barnaul in Sibirien.
Mehrmals rief der Entführer in den folgenden Wochen bei der Mutter an und stellte seine Forderungen: Er wolle nun das alleinige Sorgerecht, anderenfalls werde die Mutter ihren Filius nicht mehr wiedersehen. Im übrigen solle sie nicht die Polizei informieren, auch dann werde sie Witalij nicht wiedersehen.
Zum Schein ging die Mutter auf die Anweisungen ein. Sie erklärte schriftlich, auf das Sorgerecht zu verzichten. Allerdings setzte sie in einer zweiten Erklärung hinzu, sie fühle sich nur solange an diese Erklärung gebunden, bis sie den Jungen wiedersehe. Zeitgleich stellte die resolute Frau eigene Nachforschungen in Rußland an und fand auch bald den Aufenthaltsort von Vater und Sohn heraus. Die russische Polizei machte dem Spuk ein Ende und nahm den Mann fest. Witalij kehrte drei Monate nach seiner Entführung nach Deutschland zurück.
Walerij V. war jetzt vor dem Schöffengericht umfassend geständig. Er habe das Kind nicht verlieren wollen: »Es war eine Trotzreaktion.« Amtsrichterin Astrid Salewski führte dem Angeklagten jedoch den Scherbenhausen vor Augen: »Jetzt sehen Sie das Kind gar nicht mehr. Es geht entschieden zu weit, was Sie sich da geleistet haben.«
Das Scheidungsverfahren der Eheleute ist derzeit bei Gericht anhängig, das alleinige Sorgerecht hat nach dem Vorfall selbstverständlich die Mutter. Straferschwerend fiel bei der Urteilsfindung in Gewicht, daß Walerij V. schon bei der Trennung von seiner ersten Ehefrau abnorm reagiert hatte: Er hatte seinerzeit den neuen Freund der Dame kurzerhand verprügelt. Das Schöffengericht verurteilte den Mann daher zu 15 Monaten Haft, setzte die Verbüßung der Strafe jedoch zur Bewährung aus. Als Bewährungsauflage muß Walerij V. nun 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit im Umweltbetrieb der Stadt ableisten.

Artikel vom 10.08.2005