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Krank? Operiere dich selbst!

»Weltverbesserungsmaßnahmen«: Das Absurde wird vorstellbar


Euro-Scheine, die sich nach wenigen Tagen auflösen und deshalb schnell ausgegeben werden müssen, kurbeln die Konjunktur an. Langzeitarbeitslose, die als »Leihbrüder« für Einzelkinder vermittelt werden, verdienen wieder was. Von einer »Aktiven Krankenversicherung«, bei der sich die Patienten gegenseitig behandeln, träumt jede Bundesgesundheitsministerin. Doch das sind nicht einfach nur Spinnereien.
Das sind »Weltverbesserungsmaßnahmen«, meinen die Autoren des gleichnamigen deutschen Films und stellen in acht Episoden verrückte Ideen für das von Selbstmitleid zerfressene Deutschland vor. Den beiden Berliner Filmemachern Jörn Hintzer und Jakob Hüfner gelang damit eine großartige Mediensatire.
Da gibt es einen Kurs zum gleichzeitigen Anfahren an der Ampel, mit dem Staus reduziert werden sollen. Und den Mann, der versucht, die Autos auf einem großen Berliner Parkplatz nach Farben zu sortieren, der Ästhetik wegen. Oder die Idee, als Mensch weniger Energie zu verbrauchen und aus dem Gesparten Strom zu erzeugen. In allen Fällen erläutert der »Experte Dr. Johannes Schleede« fachmännisch die Vorteile der Neuerung.
Die Geschichten werden wahlweise im Stil der grobkörnigen 70er-Jahre-Bildungsfilme oder als Doku-Drama präsentiert, manchmal auch als Reality-TV-Format verkleidet. Das Erschreckende: Diese Flut von Sinnleere, Worthülsen und Mitteilungsbedürfnis könnte jederzeit im Fernsehen laufen und würde dort kaum auffallen. Gerade darin liegt die wunderbare subversive Wirkung des Films. Der Unsinn mogelt sich als Ernst getarnt in Bewusstsein, bevor sich das Absurde offenbart.
»Weltverbesserungsmaßnahmen« ist vielleicht kein Film, bei dem man sich vor Lachen krümmt. Aber schmunzeln muss man allemal. Wie im echten Leben ist es natürlich die Realität, die zur Zerreißprobe für die Weltverbesserer wird. Denn wer würde sich schon den Blinddarm von einem wurstfingrigen Automechaniker herausoperieren lassen?

Artikel vom 11.08.2005