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Schulbücher
nur »Altpapier«

Ausstattung trotz Pisa weiter desolat

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Trotz der schlechten Ergebnisse beim internationalen Leistungsvergleich »Pisa« hat sich die Ausstattung mit Schulbüchern nicht verbessert. »Tatsächlich wird nur noch Altpapier ausgeliehen«, kritisierte gestern der Geschäftsführer des Schulbuchverlegerverbandes VdS Bildungsmedien, Andreas Baer. Bücher seien neun Jahre und länger in Umlauf.

»Seit 1990 haben die Länder und Kommunen die Ausgaben für Lernmittel von 400 Millionen auf 250 Millionen Euro heruntergekürzt«, sagte Baer gestern dieser Zeitung. Die Schulbuchausstattung sei »desolat«, trotz Pisa habe kein Umdenken eingesetzt. Weil Länder und Kommunen versagten, sollten die Eltern im Interesse ihrer Kinder die Bücher in Absprache mit der Schule komplett selbst kaufen. Dann hätten sie die Gewähr, dass sich das Lernmaterial ihres Nachwuchses auf dem neuesten Stand befindet.
Die Lernmittelfreiheit, also die kostenlose Versorgung mit Büchern, wanke ohnehin, betonte Baer. Er verwies darauf, dass Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Lernmittelfreiheit entweder ganz aufgehoben oder eingeschränkt haben. Eltern würden finanziell nicht überfordert, wenn sie die Bücher selbst kaufen müssten, meint der VdS Bildungsmedien, der 80 Verlage vertritt. Im Durchschnitt aller Neuerscheinungen habe ein Schulbuch im vergangenen Jahr 13,73 Euro gekostet und damit zu den günstigsten Sparten gehört. Bezogen auf die Schulformen müssten Eltern bei Grundschulen mit Schulbuchkosten von 66, bei den weiterführenden Schulen von 143 und bei Gymnasien von 122 Euro im Jahr rechnen. »Diese Kosten sind nicht so hoch, dass sie Kinder aus sozial schwächeren Familien vom Besuch einer höheren Schule abhalten würden«, sagte Andreas Baer und verteidigte damit die VdS-Kampagne »Eigener Kopf, eigenes Schulbuch«.
Auch der Vorsitzende des Bundeselternrates, Wilfried W. Steinert, kritisierte gestern die unbefriedigende Ausstattung mit Schulbüchern. Kinder lernten immer noch, dass es das Land Tschechoslowakei gibt, obwohl daraus längst die Tschechische Republik und die Slowakei geworden sind. Außerdem hätten die wenigsten Schulen ein Lexikon für jede Klasse. »Nach Pisa ist nichts umgesetzt worden, was Geld kostet«, sagte Steinert.
Dennoch könne es nicht sein, dass die Eltern die Modernisierung des Buchbestandes bezahlen sollen: »Die Kosten, die Eltern aufgebrummt werden, wie Fahrtkosten, Schulverpflegung, Umlagen für Kopien und Werkhefte, werden langsam unermesslich.« Zu allem Überfluss werde über verbindliche Schulkleidung nachgedacht. Steinert: »Wenn immer mehr den Eltern aufgebürdet wird, verabschieden wir uns von solidarischem Verhalten. Bildung ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft.« Ein Ausweg aus dem Dilemma könne sein, das Kindergeld zu kürzen und das gesparte Geld komplett den Schulen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug müsste Eltern garantiert werden, dass sie für die Ausstattung mit Lernmitteln in den Klassen nicht zur Kasse gebeten werden, betonte Steinert.

Artikel vom 10.08.2005