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Ein »Bruder Leichtfuß«

WDR-Doku zum 100. Geburtstag von Kurt Gerstein

WDR, 23 Uhr: Morgen wäre Kurt Gerstein 100 Jahre alt geworden. Der WDR würdigt den christlichen Widerstandskämpfer der NS-Zeit heute mit seiner Dokumentation »Der Christ, das Gas und der Tod«.

Gerstein, 1905 in Münster geboren, steht als Mitglied der Bekennenden Kirche zunächst in Opposition zum Nazistaat, wird wiederholt inhaftiert und erhält Berufsverbot.
1941 täuscht er einen Gesinnungswandel vor und tritt bewusst in die SS ein, um Aufklärung über die Verbrechen der Nazis zu erlangen. Es gelingt ihm, als Leiter der Abteilung Gesundheitstechnik im Hygieneamt der Waffen-SS Zeuge von Judenmorden in den Vernichtungslagern Belzec und Treblinka zu werden. Gerstein versucht, die Weltöffentlichkeit zu alarmieren - ohne Erfolg.
1945 stellt er sich schließlich freiwillig den Alliierten und übergibt ihnen den ersten genauen Augenzeugenbericht über den Massenmord in den Konzentrationslagern.
Gerstein gerät in französisches Miltärgewahrsam und verbringt die letzten Wochen seines Lebens isoliert im berüchtigten Gefängnis Cherche Midi in Paris, wo er am 25. Juli 1945 erhängt aufgefunden wird. Die Todesursache ist bis heute nicht geklärt, ein Teil der Akten über ihn verschwunden.
Sein Lebensweg wurde 1963 einer breiteren Öffentlichkeit durch das Drama »Der Stellvertreter« von Rolf Hochhuth bekannt, in dem er eine zentrale Rolle einnimmt. »Der war ein ÝBruder LeichtfußÜ, ein lustiger Mensch, dem Leben zugewandt, aber auch mit einem merkwürdigen deutschen Interesse am Abgrund der Welt«, charakterisiert der Schauspieler Ulrich Tukur den SS-Offizier Kurt Gerstein.
Tukur hat sich lange mit Gerstein auseinandergesetzt, denn er spielte ihn 2002 in der gleichnamigen Verfilmung des Stoffs von Constantin Costa-Gavras. Dabei entdeckte er auch, dass er als Student in Tübingen eine Zeit lang im selben Haus wie Kurt Gerstein gewohnt hat.
Die dokumentarischen Aufnahmen im Film stammen im Wesentlichen aus dem Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld, das den Nachlass Gersteins betreut. In einer Reihe interessanter Interviews kommen unter anderen die Witwe Gersteins, alte Freunde, Rolf Hochhuth, der Biograph Pfarrer Jürgen Schäfer und der Bielefelder Landeskirchenarchivdirektor Prof. Dr. Bernd Hey zu Wort.

Artikel vom 10.08.2005