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Treppenhaus als Todesfalle

Acht Menschen sterben an Rauchvergiftungen

Berlin (dpa). Von außen verrät der schmuck sanierte Altbau im Berliner Stadtteil Moabit kaum, dass bei einem Brand in seinen Mauern gerade acht Menschen ums Leben gekommen sind.

Nur leichte Rußspuren über dem Eingang und die Glassplitter einer Türscheibe auf dem Gehweg weisen auf ein Feuer hin. Doch das Treppenhaus wurde für drei Erwachsene, vier Kinder und einen Jugendlichen zur Todesfalle. Die Tote stammen aus Polen und dem Kosovo.
Gleich nach Bergung der Opfer in der Nacht zum Dienstag streiten Feuerwehr und Betroffene darüber, ob Sprachprobleme eine schnelle Rettung der eingeschlossenen Menschen erschwerten oder gar verhinderten.
Die Berliner Feuerwehr sieht mangelnde Deutschkenntnisse der überwiegend ausländischen Bewohner als Ursache für die hohe Zahl von Todesopfern. Sie hätten die Anweisungen der Retter nicht verstanden und seien aus den Wohnungen in das brennende Treppenhaus gelaufen. Nach Angaben der Polizei starben die Menschen nicht in den Flammen, sondern an den Folgen der Rauchgasvergiftung.
Der Chef der Berliner Feuerwehr, Albrecht Broemme, sagte in der Nacht am Unglücksort betroffen: »Einige Hausbewohner sind ins Verderben gerannt. Die Flucht ins Treppenhaus war die Flucht in den Tod.«
Die Anwohner weisen diese Darstellung zurück. »Wir sprechen alle gut Deutsch«, sagte ein Bewohner. Die Anweisungen hätten sie gar nicht erreicht. Vielmehr seien Hilferufe ignoriert worden.
Um 23.07 Uhr waren die Retter in die Ufnaustraße 8 gerufen worden. Nur sechs Minuten später sei die Feuerwehr eingetroffen, eine Minute vorher die Polizei. Leichter Qualm zog aus den oberen Geschossen. »Am Anfang sah der Brand noch ziemlich harmlos aus«, sagt Broemme.
Man habe die Menschen aufgefordert, in den Wohnungen zu bleiben und Ruhe zu bewahren, sagt Broemme. Die große Mehrheit habe diese Anweisungen auch befolgt. Doch zwei Familien versuchten, durch das brennende Treppenhaus ins Freie zu gelangen.
Zwei Brüder aus dem Erdgeschoss des Unglückshauses bemerkten den Rauch und hörten das Zerbersten der Treppenhausfenster. »Als ich die Tür aufmachte, kamen die Flammen in die Wohnung herein«, sagt der 16-jährige Din Smajlaj. Er warf die Tür zu und kletterte mit seinem Bruder aus dem Fenster ins Freie. Dort stürzte ein MädEs Sie sei in Panik aus einem Fenster des vierten Stocks gesprungen, berichtet der Jugendliche.
Die Feuerwehr sprach auch Stunden nach dem Unglück von »krassem Fehlverhalten der Hausbewohner, weil sie die Sprache nicht verstanden haben«. Sozialarbeiterin Vjolla Hajdai, die die unter Schock stehenden Nachbarn betreut, schätzt, dass 60 Prozent der Bewohner Flüchtlinge sind: »Albaner, Araber, Menschen aus Ex-Jugoslawien und dem Kosovo.«
Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) nennt Brandstiftung im Erdgeschoss des Hauses als Ursache der Tragödie. Das Feuer sei von zwei angezündeten Kinderwagen ausgegangen. »Vielleicht eine Brandstiftung, bei der die Täter mit dem Schrecklichen, was sie damit anrichteten, gar nicht gerechnet haben.«

Artikel vom 10.08.2005