10.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bankräuber tarnen sich als Gärtner

Gangster graben 80 Meter langen Tunnel und erbeuten mehr als 55 Millionen Euro

Rio de Janeiro (dpa). Beim größten Bankraub in der Geschichte Brasiliens sind nach Behördenangaben mehr als 150 Millionen Real (etwa 55 Millionen Euro) »in filmreifer Art« erbeutet worden.

Das Fehlen des Geldes sei in der Filiale der Zentralbank in der nordöstlichen Provinzhauptstadt Fortaleza im Bundesland Ceara erst lange nach der Tat bemerkt worden, erklärte die Bundespolizei.
Die Räuber hätten in vermutlich wochenlanger Arbeit vier Meter unter der Erdoberfläche einen 80 Meter langen Tunnel gegraben. Sie seien dann am Wochenende in die Tresorräume der Bank eingedrungen. Dazu hätten die Verbrecher den Erkenntnissen zufolge vor drei Monaten ein Haus in der Nachbarschaft der Bank gemietet, dort zum Schein eine Gartenbaufirma gegründet und die Grabungsarbeiten begonnen.
»Die haben ungefähr 3,5 Tonnen Geld in 50-Real-Scheinen weggeschleppt«, sagte ein Sprecher der Bundespolizei erstaunt. Man werde größte Mühe haben, das gestohlene Geld aufzuspüren. Es handele sich nämlich um alte Scheine, die zwecks Prüfung der Umlauffähigkeit eingesammelt worden seien. »Das ist zweifellos der größte Bankraub in der Geschichte unseres Landes, so etwas sieht man sonst eigentlich nur im Kino«, sagte der Chef der Bundespolizei in Ceara.
Medien und Behörden reagierten auch mit einer gewissen Bewunderung - ähnlich wie beim spektakulären Postraub von England Anfang der 60er Jahre. »Das war Millimeter-Arbeit«, sagte ein Beamter.
Die Gangster hätten wohl auch GPS-Systeme und Spitzeningenieure eingesetzt. Im Tunnel seien unter anderem Beleuchtungs- und Luftkühlungssysteme errichtet worden.
Verglichen wurde der Coup auch mit Hollywood-Produktionen. Für einige könnte Woody Allen mit seinem Werk »Schmalspurganoven« Pate gestanden haben. Wie im Film errichteten die Verbrecher in Brasilien im gemieteten Haus eine Scheinfirma, ein Gartenbauunternehmen, um vom Tunnel abzulenken. Anders als im Film sei der Coup in Brasilien aber gelungen. Medien schätzten, mit dem gestohlenen Papiergeld könnten fast vier Fußballfelder bedeckt werden.
Es sei noch unbekannt, wie lange sich die Räuber im Bankbereich aufgehalten hätten und weshalb die modernsten Alarmsysteme mit Bewegungsmeldern und Überwachungskameras nicht reagiert hätten, als die Verbrecher den Boden der Räume durchbrachen, hieß es. Sprengstoff sei nicht verwendet worden. Die 500 Quadratmeter großen Tresorräume der Bank im Zentrum der Küstenstadt Fortaleza würden zudem von zwei Meter dicken Betonwänden und Stahlnetzen geschützt.
Nachbarn sagten unterdessen aus, in dem vermutlich von den Tätern gemieteten Haus seien mehr als zehn Männer ein- und ausgegangen. Die Zentralbank bildete derweil eine Untersuchungskommission. Polizeisprecher äußerten die Vermutung, es könne unter den Bankangestellten Komplizen geben.
Der bislang größte Bankraub der brasilianischen Geschichte war im Juli 1999 geschehen, als ein 20-köpfiges, schwer bewaffnetes Kommando eine Bank-Filiale im Zentrum der Wirtschaftsmetropole Sao Paulo stürmte. Die Gangster überwältigten 15 Männer des Wachpersonals und entkamen mit 39 Millionen Real.

Artikel vom 10.08.2005